Politik

EFSF, der Hebel und der Bundestag Lammert will kein neues Votum

Muss der Bundestag noch einmal abstimmen?

Muss der Bundestag noch einmal abstimmen?

(Foto: picture alliance / dpa)

Muss der Bundestag darüber abstimmen, wenn der Euro-Rettungsschirm EFSF über einen Hebel-Mechanismus gestärkt wird? Die Opposition fordert das. Bundestagspräsident Lammert sieht dafür jedoch keine Notwendigkeit. Allerdings sind nicht alle in der Koalition seiner Meinung. Die Abgeordneten erhalten indes die Ausführungsbestimmungen für den EFSF.

Über die Beteiligung des Bundestages an der angestrebten Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF ist ein Streit entbrannt. Bundestagspräsident Norbert Lammert wies die Forderung zurück, das Parlament müsse über den im Rettungsschirm EFSF abstimmen. "Wenn die Höhe der Verpflichtungen verändert würde, müsste der Bundestag erneut befasst werden", sagte der CDU-Politiker der "Frankfurter Rundschau". Wie der Fonds jedoch die Mittel einsetze, werde mit Leitlinien festgelegt, "die der Zustimmung des Haushaltsausschusses bedürfen". Dadurch sei die parlamentarische Mitwirkung ausreichend gewährleistet: "Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom Bundestag beschlossenen Regelungen verletzt würden." Lammert gilt als starker Bundestagspräsident, der nicht dazu neigt, die Rechte des Parlaments zu missachten.

Lammert sieht keinen Grund, warum sich der Bundestag mit dem Hebel-Mechanismus befassen sollte.

Lammert sieht keinen Grund, warum sich der Bundestag mit dem Hebel-Mechanismus befassen sollte.

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Zuvor hatten die Parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und Grünen, Thomas Oppermann und Volker Beck, argumentiert, durch die geplante Einführung eines Kredithebels steige das Verlustrisiko für die deutsche Haftungssumme von 211 Milliarden Euro. Deshalb müsse das Plenum des Bundestages vor einer Zustimmung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Euro-Gipfel seine Einwilligung erklären.

Koalition uneins

Unterstützung erhielt Lammert vom haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Barthle. Er sagte dem Bayerischen Rundfunk, die EFSF-Leitlinien seien durch den Haushaltsausschuss des Bundestags zu verabschieden, "nicht durch den ganzen Bundestag". Barthle bestritt, dass das "Aufhebeln" des Euro-Rettungsschirms zu einem höheren Ausfallrisiko für Deutschland führt.

Der FDP-Europa-Skeptiker Frank Schäffler forderte hingegen, den Bundestag abstimmen zu lassen. "Das kann nicht nur der Haushaltsausschuss beschließen. Das muss im Plenum vom gesamten Bundestag beraten werden", sagte er dem "Focus". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bekräftigte die Forderung, dass der Bundestag noch in dieser Woche über die EFSF-Leitlinien beraten müsse. Er erwarte, dass die Bundesregierung sich an die beschlossenen Vorgaben halte und die Regeln dem Plenum vorlege, sagte er. "Andernfalls werden wir dies beantragen."

Noch vor der Entscheidung im Bundestag über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms hatte die FDP nicht mit einem Hebel gerechnet: FDP-Fraktionschef Brüderle sagte am 29. September: "Meines Erachtens wird es ihn nicht geben". Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte am selben Tag, er habe nie von "Hebeln" gesprochen, mit denen die geplante Kreditsumme des Euro-Hilfefonds noch zusätzlich ausgeweitet werden kann. "Falls sich je in der Zukunft etwas anderes ergibt, muss der Bundestag das beschließen."

Abgeordnete erhalten Ausführungsbestimmungen

Finanzminister Wolfgang Schäuble versichert, dass die deutsche Haftungsobergrenze nicht steigen wird.

Finanzminister Wolfgang Schäuble versichert, dass die deutsche Haftungsobergrenze nicht steigen wird.

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Das Finanzministerium übermittelte in der Nacht den maßgeblichen Bundestagsabgeordneten die Ausführungsbestimmungen für den Euro-Rettungsschirm EFSF. In dem Entwurf dieser Leitlinien sind noch keine genaueren Angaben enthalten, wie gegebenenfalls eine Hebelwirkung genutzt werden kann, um dem EFSF zusätzliche finanzielle Schlagkraft zu geben.

Den Leitlinien und damit auch dem Modell für eine höhere EFSF-Schlagkraft muss noch der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen. Die Koalitionsfraktionen wollten sich bereits heute in Sondersitzungen damit befassen. Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor. Offen ist, wann der Haushaltsausschuss vor dem Euro-Krisengipfel an diesem Sonntag grünes Licht gibt.

Der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, forderte weiter Informationen über den möglichen Hebel-Mechanismus. Die Fraktionen und der Haushaltsausschuss könnten sich erst mit den rund 70 Seiten starken Ausführungen aus Brüssel befassen, wenn "die endgültige Fassung dieses Regelwerks" vorliege, sagte Müller. Seine Partei poche darauf, dass die Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro für Deutschland nicht erhöht werden dürfe.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Gerhard Schick forderte die Bundesregierung auf, die Bevölkerung über die Risiken eines Hebel-Mechanismus aufzuklären. "Wer sagt, das Risiko für den deutschen Steuerzahler steige nicht, der lügt", sagte Schick im ZDF. Zwar könne ein derartiges Instrument hilfreich sein. Es sei aber klar, dass dann auch innerhalb des deutschen Haftungsrahmens von 211 Milliarden Euro "das Risiko steigt", sagte Schick.

Am Mittwoch hatte das Bundesfinanzministerium versichert, dass sich an der nominalen Haftungsgrenze beim EFSF von 211 Milliarden Euro für Deutschland nichts ändern werde. Der EFSF soll über ein Kreditvolumen von maximal 440 Milliarden Euro für notleidende Staaten der Eurozone verfügen und größere Befugnisse erhalten. Den konkreten Leitlinien für den Fonds muss in Deutschland das Parlament zumindest über den Haushaltsausschuss zustimmen. Durch den Hebel würde der EFSF seine Gelder nicht selbst an überschuldete Euro-Staaten geben, sondern als eine Art Versicherung einen Teil des Ausfallrisikos von Investoren übernehmen. Dadurch könnte das Volumen des Fonds um ein Mehrfaches gestreckt werden.

"Wir brauchen keine Zockerbuden"

Wagenknecht will eine öffentliche Bank in Europa.

Wagenknecht will eine öffentliche Bank in Europa.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht warnte in "Welt" vor zu einem harten Spardruck auf verschuldete Staaten: "Wir brauchen eine öffentliche Bank in Europa, die zu günstigen Zinsen Kredite an Staaten vergibt." Zugleich kritisierte Wagenknecht die privaten Banken: "Wir brauchen keine Zockerbuden. Die Banken müssen sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: die Unternehmen mit Krediten zu versorgen. Das tun private Großbanken kaum noch."

FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte zur Regulierung der Finanzmärkte einen Börsenzwang für alle Finanztransaktionen. "Der Handel aller Finanzprodukte muss transparent über öffentlich zugängliche und beaufsichtigte Börsen abgewickelt werden. Wir brauchen einen Börsenzwang für Geschäfte am Finanzmarkt", sagte er der "Rheinischen Post".

Arbeitgeber und Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung, für den Fall eines Wirtschaftsabschwungs die auslaufenden Sonderregeln für die Kurzarbeit zu erhalten. "Gerade in Zeiten einer guten wirtschaftlichen Lage muss etwaigen Risiken vorgebeugt werden", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, der "Süddeutschen Zeitung". Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sagte der Zeitung, es wäre gut, wenn die Bundesregierung die notwendigen Instrumente bereit halte, um bei einer Zuspitzung der Situation auf dem Arbeitsmarkt "schnell und unbürokratisch reagieren zu können".
 

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts

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