Kein Frieden auf Kosten der Freiheit Afghaninnen haben Angst
10.02.2010, 11:55 Uhr
Erst seit 2003 dürfen Frauen in Afghanistan wählen.
(Foto: REUTERS)
Seit dem Sturz der Taliban haben die Frauen in Afghanistan hart für ihre Rechte gekämpft. Karsais Annäherung an gemäßigte Taliban könnte einen herben Rückschritt bedeuten.
Farida Tarana hat einen hohen Preis für ihren Erfolg in Afghanistan gezahlt. Die Afghanin ist heute ein gefeierter Popstar in ihrem Land und gleichzeitig Lokalpolitikerin, doch der Weg dorthin war mehr als steinig. Regelmäßig sah sie sich Morddrohungen und sexueller Diskriminierung ausgesetzt. Doch sie hat es geschafft und steht heute für den Erfolg der Frauenrechte nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001. Umso mehr fürchtet sie nun, dass das Versöhnungsangebot des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai an die Taliban sämtliche Errungenschaften für die Rechte der Frauen in Afghanistan zunichte macht.
"Ich möchte Frieden, aber nicht auf Kosten der Freiheit der Frauen", sagt Tarana. Ihr eigener Weg aus der Unterdrückung begann 2005, als sie durch eine Talentshow im Fernsehen zum Star wurde. Mit ihren Liebesliedern und Popsongs wurde sie unter den jungen Afghanen immer beliebter, Talent und Mut brachten sie zum Erfolg. Doch auch die Ablehnung, die ihr entgegenschlug, war riesig. Konservative islamische Kreise und Extremisten warfen ihr vor, die religiösen und kulturellen Traditionen Afghanistans zu verletzen. Selbst ihre Familie reagierte kritisch: "Meine eigenen Verwandten, meine Cousins und Onkel, jeder war dagegen." Sie drohten sogar damit, sie umzubringen.
Schwieriger Weg als Sängerin und Politikerin
Doch die viele Kritik bestärkte sie nur darin, ihren Weg weiterzugehen. Als Sängerin auch noch Politikerin zu werden, war noch schwieriger. Im August schaffte sie aber bei den zeitgleich mit der Präsidentenwahl stattfindenden Kommunalwahlen den Einzug in den Provinzrat von Kabul. Bei den für September geplanten Wahlen will sie ins nationale Parlament einziehen.
Während der Herrschaft der Taliban zwischen 1996 und 2001 war Frauen jegliche politische Teilhabe untersagt, auch Schulbesuche waren verboten. Frauen durften nur in Begleitung eines Familienmitglieds das Haus verlassen und auch nicht außerhalb des Hauses arbeiten. Mit der neuen afghanischen Verfassung wurden Frauen den Männern zwar gleichgestellt - doch bis heute sehen sie sich Diskriminierungen ausgesetzt und kämpfen für die Anwendung dieser Rechte im Alltag.
Frauen haben Angst
Karsais Ankündigung eines Versöhnungsprogramms für gemäßigte Taliban auf der Londoner Afghanistankonferenz weckt daher zusätzliche Ängste bei den Frauen, ihre hart erkämpften Rechte wieder einzubüßen. Sie befürchten, dass Karsai bereit ist, für erfolgreiche Verhandlungen mit den Taliban bei den Frauenrechten Abstriche zu machen. "Wenn die Taliban wiederkehren, wird die Demokratie, die wir erreicht haben, Rückschläge erfahren", sagt die Frauenrechtlerin und Parlamentsabgeordnete Sabrina Sakeb. "Ich habe Angst vor ihnen." Die Erinnerung an die Zeit unter den Taliban hat sich vielen Frauen schmerzhaft ins Gedächtnis gebrannt.
Doch es gibt auch optimistische Stimmen: "Ein Wandel ist möglich", sagt Schukria Baraksai, ebenfalls Frauenrechtlerin und Abgeordnete. Sie verweist auf Mullah Abdul Salam, genannt Rocketi, einen ehemaligen Taliban-Führer, der damals die Arbeit von Frauen außerhalb der Wohnung strikt ablehnte. "Heute sitzt er neben mir im Parlament. Er hat sich geändert."
Quelle: ntv.de, Sardar Ahmad, AFP