Irak-Tagebuch (5) Auf Wiedersehen Bagdad
21.03.2008, 15:26 UhrDie Tage in Bagdad sind vorbei, vergangen wie im Flug. Wir können kaum glauben, dass es schon vorbei ist. So schwer die Arbeitsbedingungen auch waren, wir haben viele Eindrücke gewonnen, die dieses zerrissene Land charakterisieren. Wir haben die Ängste und Hoffnungen der Menschen gespürt. Wie wird es für sie weitergehen? Was wird ihnen die Zukunft bringen? Darauf eine Antwort zu geben, die auch in einem halben Jahr noch Bestand hat, ist unmöglich. Viel zu viele Unsicherheiten bestimmen die politische Entwicklung. Und doch bleibt auch bei uns das Gefühl der Hoffnung.
Zumindest gibt es heute eine Chance. Etwas, an das vor einigen Monaten noch niemand geglaubt hat. Noch immer sterben jeden Tag dutzende Menschen in diesem Land, explodieren Sprengsätze, werden amerikanische Soldaten, irakische Sicherheitskräfte und selbst Zivilisten angegriffen. Doch die Zahl der Anschläge hat deutlich abgenommen. Flogen im Sommer noch täglich Granaten in die Grüne Zone, war es während unseres Aufenthaltes nicht eine einzige. Das lässt vorsichtigen Optimismus aufkeimen.
Von entscheidender Bedeutung wird sein, dass es der politischen Führung des Landes gelingt, die unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu einen. Sunniten, Schiiten, Kurden und Christen verkörpern keine homogene Gemeinschaft. Es haben im Gegenteil Grausamkeiten stattgefunden, die einen tiefen Hass gegeneinander hervorgerufen haben. Doch der Wiederaufbau des Landes hat - nach fünf Jahren des fast vollständigen Stillstands - begonnen. Diese zarte Pflanze gilt es zu schützen und zu düngen.
Denn wichtiger als unterschiedliche Auslegungen des Islams ist die Hoffnung auf eine Zukunft. Wenn die Menschen erleben, dass es ihnen besser geht, sie die Möglichkeit haben, eine ehrliche Arbeit zu bekommen und ihre Familien ernähren zu können. Wenn sie keine Angst mehr haben müssen, dass ihre Kinder auf dem Weg in die Schule entführt werden, dann verlieren Aufständische und Terrorgruppen ihren Zulauf und Unterstützung.
Wir haben viele Anzeichen dafür gesehen. Aber noch gibt es genug Stolpersteine. Wie wird sich die amerikanische Politik nach den Präsidentschaftswahlen verändern? Wird die amerikanische Regierung versuchen, das, was sie angefangen hat, so zu Ende zu bringen, dass die Menschen im Irak davon profitieren? Schaffen die ethnischen Gruppen den Schritt aufeinander zu? Gelingt es der irakischen Führung einen Bürgerkrieg zu verhindern, wenn die ausländischen Truppen irgendwann ihren Abzug aus dem Land beginnen? Niemand kann dies heute mit Sicherheit sagen.
Doch wer hätte gedacht, dass die Balkanstaaten nach all den Gräueltaten Anfang der 90er Jahre wieder zur Ruhe kommen würden? Dass nach dem Genozid in Ruanda wieder ein halbwegs normales Leben möglich ist. Wir haben selbst in unserer Geschichte erlebt, dass eine Abkehr vom Bösen möglich ist.
Für den Einmarsch im Irak gab es keine völkerrechtliche Rechtfertigung. Es gab keine Massenvernichtungswaffen, keine erwiesene Zusammenarbeit Saddam Husseins mit dem Terrornetzwerk Al Kaida. Das waren, wie wir heute wissen, Lügen der amerikanischen Regierung, um einen Feldzug zu starten, der schon lange vor den Anschlägen am 11. September 2001 geplant war.
Dennoch, es wurde ein brutaler Diktator gestürzt, Millionen von einer Knechtschaft des Grauens befreit. Nun liegt es an Amerika, den Irakern und der Weltgemeinschaft daraus etwas entstehen zu lassen, das den Tod so vieler Menschen nicht völlig nutzlos macht. Sofern dies überhaupt möglich ist.
Wir werden die Entwicklung weiter beobachten. Diese Reise war nicht die erste in den Irak und sie wird nicht die letzte gewesen sein. Und wer weiß, vielleicht können wir irgendwann wieder ohne Begleitschutz durch die Straßen laufen und die Gastfreundschaft der Iraker genießen, für die dieses Volk seit Jahrtausenden berühmt ist.
Ich hoffe, wir konnten mit unseren Eindrücken ein wenig dazu beitragen, die Probleme in diesem Land etwas transparenter und nachvollziehbarer zu machen.
Quelle: ntv.de