Schäuble vor dem Ziel BKA wird Anti-Terror-Polizei
12.11.2008, 12:00 UhrNach mehr als zwei Jahren Streit ist Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) einem seiner Hauptziele in der Terrorabwehr nahe. Nach der abschließenden Beratung im Bundestag dürfte es relativ schnell gehen und das BKA-Gesetz 2009 in Kraft treten. Das Bundeskriminalamt bekommt Befugnisse wie noch nie. Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition und Bedenken zahlreicher Rechtsexperten darf die Großbehörde mit ihren rund 5500 Beschäftigten künftig zu Lauschangriff, Videoüberwachung und Computer-Durchsuchung greifen, wenn sie akute Terrorgefahr sieht. "Monsterbehörde" und "deutsches FBI" lauten die Schmähworte der Opposition.
Schon 2006 wurden dem BKA im Zuge der Föderalismusreform mehr Kompetenzen zugestanden. Trotz grundsätzlicher Einigung zwischen Union und SPD flammte der Streit um Details von teils sehr grundsätzlicher Bedeutung immer wieder auf. Im April dann einigten sich Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf eine deutliche Entschärfung der Online-Durchsuchung: Fahnder dürfen ihre Spähprogramme nicht in der Wohnung der Verdächtigen auf deren Computer installieren, sondern müssen sie aus der Ferne online aufspielen.
Online-Durchsuchung bis 2020 befristet
Der Streit ging weiter, weil die Sozialdemokraten in dem Entwurf immer neue Dinge entdeckten, die ihnen unheimlich vorkamen. Erst vergangene Woche einigten sich die Fachpolitiker darauf, dass die Online-Durchsuchung bis 2020 befristet sein soll. Ohnehin muss ein Richter die Durchsuchung anordnen. Zudem will die Koalition sicherstellen, dass gemäß Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts der Kernbereich privater Lebensgestaltung besser geschützt bleibt.
Bei der Durchsuchung von Computern sollen also nicht nur zwei BKA-Beamte prüfen, ob die Fahnder auf zu private Daten stoßen, sondern auch noch der unabhängige Datenschutzbeauftragte der Behörde. Für die Opposition ist das Detail nur ein weiterer Ausweis von Rechtsblindheit bei Schäuble und den Seinen. Absurd sei es, wenn die Behörde sich selbst Grenzen setzen solle. Die eigentlich zuständigen Richter würden außen vor gelassen. Kritiker stören sich zudem daran, dass private Daten "allein" geschützt sein sollen, nicht aber wenn sie gemischt mit anderen Informationen auf der Festplatte liegen.
Schäuble versichert: "Wir wissen (...), was die Verfassung erlaubt und was sie nicht erlaubt, und wir halten uns peinlich genau daran." Das BKA erhalte fast nur Befugnisse, die Länderpolizeien schon haben.
BKA mit präventiver Befugnis zweifelhaft
Bereits in der Anhörung im Bundestag machten Experten auf die Tragweite des Paradigmenwechsels durch das Gesetz aufmerksam. Da das BKA nun für die Verhütung von Terrordelikten zuständig sein soll, ist künftig diese polizeiliche Behörde entscheidend, nicht mehr die Bundesanwaltschaft, hieß es damals. Die vorgesetzte Behörde ist das Innenministerium. Die präventive Befugnis führt zu ganz grundsätzlichen Zweifeln bei den Kritikern: Die Straftat, die verhindert werden soll, liegt in der Zukunft. Nicht einfach zu sagen, ob sie auch ohne Bundes-Trojaner und andere Mittel hätte verhindert werden können.
Der Kernbereich privater Lebensführung sei auch nicht genügend geschützt, weil die Eingriffsschwellen zu hoch sind, monieren Kritiker wie der Grünen-Experte Wolfgang Wieland. Statt einer nur konkreten müsse eine dringende Gefahr vorausgesetzt werden, fordert er. Es dürften also zum Beispiel nicht nur Hinweise reichen, dass zum Terror bereite junge Männer aus pakistanischen Ausbildungslagern zurückkehren, sondern sie müssten eingereist sein.
Ermittlungsbefugnisse bei Ärzten, Anwälten und Journalisten
Neben der geplanten Erlaubnis der Videoüberwachung von Wohnungen durch das BKA sind es vor allem noch die Ermittlungsbefugnisse bei Ärzten, einem Teil der Anwälte und Journalisten, die anhaltenden Protest verursachen. Deren Vertreter sehen das Zeugnisverweigerungsrecht ausgehöhlt. Einen "Angriff auf die Bürgerrechte" macht etwa Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe aus.
FDP- und Grünen-Politiker wollen gegen das Gesetz, ist es erst durch den Bundesrat und in Kraft, vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Wir werden es so schnell wie möglich machen", sagt Wieland. Eine Entscheidung dürfte es frühestens 2010 geben.
Basil Wegener, dpa
Quelle: ntv.de