"Ich erwarte keine Schonung" Becks vorsichtiger Schwenk zurück
10.03.2008, 17:33 Uhr"Langsam, langsam", wehrte der Hauptakteur beim Hereingehen den immensen Andrang ab. Nur mit Mühe konnte sich Kurt Beck am Montag im randvollen Saal der Bundespressekonferenz zu seinem Platz vorarbeiten. Mit leicht angespanntem Lächeln stellte er sich den Fotografen und Kameraleuten. Als dort Murren aufkam, dass nicht genügend Zeit für die Nahaufnahmen sei, entfuhr es dem SPD-Chef: "Ich bin wieder Schuld".
Was folgte, war ein 75-minütiger durchaus riskanter Auftritt, bei dem Sensationen ausblieben. Mit Professionalität, vorübergehend nachdenklich und kleinlaut und auch mit Spuren von Selbstkritik ließ sich Beck vor den Berliner Korrespondenten vernehmen. Offene Häme, die ihm manche vorhergesagt hatten, blieb ihm erspart. Vielleicht lag dies auch an der gerade erst überstandenen zweiwöchigen Erkrankung.
"Ich erwarte keine Schonung, ich bin wieder fit", meldete sich der Pfälzer "wieder an Deck" in Berlin zurück. Dass es in seiner Abwesenheit in der SPD ziemlich turbulent zugegangen sei, hielt Beck fast schon für normal. Das sei wie in der Fabel: Wenn die Katze aus dem Haus sei, tanzten die Mäuse umso lebendiger. Doch damit sei es vorbei. Seine Stimmbänder seien zwar noch geschwächt, aber nicht sein Führungswille.
Vorwurf des Wortbruchs zurückgewiesen
Dabei ließ Beck unter dem Strich durchblicken, dass er eigentlich in den vergangenen Wochen nicht all zu viel falsch gemacht habe. Sicher, sein Kalkül, die Linke aus den West-Landtagen herauszuhalten, sei nicht aufgegangen. Ja, die Irritationen wegen des im Alleingang verkündeten Linksschwenks für Hessen habe er sich schon selbst zuzuschreiben. "Der gewisse Galopp beim Ablauf war nicht beabsichtigt", versicherte er im Blick auf das Abendessen in Hamburg, wo er seine Pläne vor Journalisten ausplauderte. Seine ahnungslosen Stellvertreter, die aus allen Wolken fielen, habe er wenige Tage später ohnehin informieren wollen, erklärte Beck nun.
Den Vorwurf des Wortbruchs oder mangelnder Glaubwürdigkeit wollte sich Beck partout nicht machen lassen: "Das sehe ich bei mir nicht." Dieses Thema sei für ihn ohnehin erst einmal abgeräumt. Die Genossen in Wiesbaden hätten schließlich von sich aus - und nach einigem Druck aus Berlin - das ungewisse Experiment mit den Linken bis auf weiteres abgeblasen. "Es ist klar, dass die hessische SPD nicht zweimal mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand rennen wird", gab sich Beck zuversichtlich.
Keinen Zweifel ließ er daran aufkommen, dass er sich weiter fest im SPD-Sattel fühlt. Dafür werde schließlich jemand gebraucht, der das Pferd auch in die richtige Richtung lenken könne, blieb Beck im Bild: "Sie können davon ausgehen: Ich lenke." Nichts dran sei an den Spekulationen, dass es "ein Zerwürfnis" mit seinen beiden Stellvertretern Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier gebe - mit denen er bis spät in der Nacht im Keller der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin dem Vernehmen nach auch das eine oder andere laute Wort ausgetauscht hatte. Für den Finanzminister, der sich in den vergangenen Wochen am deutlichsten über den Parteichef mokiert hatte, wollte Beck nur Lobendes berichten. Der sei ein "wahrer Eckpfeiler unserer Politik. Ich schätze ihn im höchsten Maße".
Ein Schritt zurück in Richtung Mitte
Doch mit solchen Floskeln wollten sich Steinbrück und andere aus der engsten Führung nicht allein abspeisen lassen. Auch Beck musste einlenken - mit einem Schritt zurück in Richtung Mitte. "Der Rutsch nach links hat nie stattgefunden. Wir spielen auf der ganzen Breite des Spielfelds", lautete die länger so von ihm nicht mehr gehörte Standortbestimmung. Die - von den SPD-Linken massiv bekämpfte - "Schuldenbremse" im Haushalt sei "unabdingbar", stellte er ganz im Sinne Steinbrücks klar. Und auch bei der Bahn-Privatisierung, gegen die die SPD-Linke weiter Sturm läuft, signalisierte Beck eine neue Beweglichkeit in Richtung der Befürworter des Projekts.
Ob diese Zusicherungen ausreichen, um die Gemüter in der SPD wieder zu beruhigen, muss sich erst noch zeigen. Die Parteilinke, die sich unter Becks Schutz bereits kräftig im Aufwind fühlte, dürfte diese Festlegungen nicht einfach so schlucken. Und auch die Debatte über Becks weitere Verwendung in der SPD wird mit einiger Sicherheit weitergehen. Erste öffentliche Forderungen aus der Partei, von sich aus die Kanzlerkandidatur abzuhaken, tat Beck am Montag noch ab. Doch seine Ankündigung, dass er dafür den SPD-Gremien spätestens Anfang 2009 einen Vorschlag machen werde, klang zumindest nicht mehr ganz so, als ob dies zwangläufig auf ihn hinauslaufen müsse.
Von Joachim Schucht, dpa
Quelle: ntv.de