Dossier

Der "Deutsche im Kreml" geht Berlin wartet auf Medwedew

Deutsche und Russen machen sich Mut für den ungewöhnlichen Wachwechsel, der in Moskau bevorsteht. Am 7. Mai bezieht der neue Präsident Dmitri Medwedew die Amtszimmer im Kreml, doch der scheidende Staatschef Wladimir Putin will weiter die starke Figur der russischen Politik bleiben: Zu dem formal untergeordneten Posten des Ministerpräsidenten hat er sich mit dem Vorsitz der Partei Geeintes Russland auch die Macht über das Parlament gesichert.

Alles kein Problem? "Sie werden im Tandem arbeiten", versicherten kremlnahe Politiker am Wochenende bei den deutsch-russischen Schlangenbader Gesprächen. Das traditionsreiche Forum, organisiert von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung und den parteinahen Stiftungen von CDU und SPD, arbeitet vertraulich. Also kann in dem Kurort bei Wiesbaden Klartext geredet werden.

"Weiniger stachelig"

Der geschmeidige, zurückhaltende Medwedew werde für den Westen ein angenehmerer Partner sein als der polterige Ex-Geheimdienstler Putin, warben die Moskauer. "Er ist weniger stachelig, hat weniger Kanten." Medwedew gehöre einer neuen Generation an: "Putin mag das Internet nicht. Medwedew beginnt den Tag damit, dass er ins Internet geht."

Der neue Mann im Kreml habe eine anspruchsvolle Agenda: den Kampf gegen die Korruption, die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit, ein Ende der Armut in Russland, die Entstehung einer Mittelklasse. Die Kontrolle des Staates über die Wirtschaft solle wieder zurückgedrängt werden.

Medwedew werde liberal sein - allerdings "nicht weil er liberal ist, sondern weil Putin entschieden hat, dass nun eine liberalere Etappe folgt". Also bleibt Putin doch die entscheidende Figur? Nun, mit der Meinung des anerkannten "nationalen Führers", der einstweilen noch größeres Vertrauen in der Bevölkerung genieße, müsse Medwedew rechnen. Die Auftritte bei der G8 überlasse Putin dem Neuen aber gern, er halte sich auf internationaler Bühne mittlerweile für "überqualifiziert".

Erbe: enge Beziehung zu Deutschland

Angesichts dieser Unschärfen in der Machtverteilung konnte die deutsche Seite nur appellieren, beide Politiker sollten ihre jeweiligen Apparate unter Kontrolle halten und Kämpfe verhindern. Noch habe Putin seinen Nachfolger nicht geschwächt, analysierte ein Experte. Berlin nimmt Abschied von dem "Deutschen im Kreml" (so der Biograf Alexander Rahr über Putin), doch es zeichnet sich ab, dass Medwedew wie alles andere auch die enge Beziehung zu Deutschland von Putin geerbt hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war nach Medwedews Wahlsieg im März erste ausländische Gratulantin in Moskau.

Medwedew ist auch kein Neuling im deutsch-russischen Geschäft. Die Organisation der Männerfreundschaft zwischen Putin und dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lief jahrelang über die Schreibtische ihrer Stabschefs Medwedew und Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Beziehungen gingen nicht "nicht eins zu eins weiter wie mit dem deutschfreundlichen Putin". Doch der jetzige Außenminister Steinmeier habe ein "Grundvertrauen zu Medwedew, hieß es.

Berlin hofft vor allem, Medwedew bei der versprochenen Modernisierung Russlands beim Wort nehmen zu können. Nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik brauche einen Reformschub: "Unser Interesse ist, dass sich Russland als Ganzes modernisiert."

Von Friedemann Kohler, dpa

Quelle: ntv.de

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