Dossier

Berlin feiert Biermann ist Ehrenbürger

Für Bundespräsident Horst Köhler gehört Wolf Biermann in der Tradition von Bertolt Brecht und Heinrich Heine zu den großen deutschen Liedermachern. Für die SED in der DDR war er vor allem ein Verräter am Sozialismus mit Liedern wie "Was verboten ist, das macht uns gerade scharf". Vor 30 Jahren wurde er aus der DDR rausgeschmissen und aus seiner Ostberliner Wohnung in der Chausseestraße zwischen dem Grab von Brecht und der damaligen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik. Nun hat den in seiner Vaterstadt Hamburg lebenden Liedermacher das wiedervereinte Berlin wenigstens symbolisch als Ehrenbürger wieder heimgeholt.

In den frühen 90er Jahren war sein Versuch gescheitert, in seine einstige Wohnung an der Chausseestraße zurückkehren zu können. Er traf dort auf den damaligen PDS-Pressesprecher als neuen Mieter - auch eine deutsch-deutsche Geschichte.

Nach wochenlangem "Hängen und Würgen" und öffentlichen Streitereien rang sich der rot-rote Senat am Dienstag dazu durch, dem "preußischen Ikarus", wie er eines seiner berühmtesten Lieder nach der schmiedeeisernen Figur auf der Weidendammer Brücke über der Spree nannte, die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Er habe mit seinem aufrechten Gang "entscheidend zum Fall der Mauer beigetragen", meinten SPD-Politiker. Initiiert hatten die Ehrung allerdings die CDU und die anderen Oppositionsparteien Grüne und FDP in Berlin.

Bei der vorangegangenen Abstimmung hat sich die Linkspartei als Koalitionspartner, die von ihren Gegnern auch gerne "SED-Nachfolgepartei" genannt wird, der Stimme enthalten. In seiner typisch sarkastischen Art kommentierte Biermann, von den Grünen auch als "großer Freigeist mit sympathischer Bösartigkeit" gewürdigt, das mit den Worten: "Im moralischen Sinne haben sie sich absolut tadellos verhalten. Sie sind bei ihrer reaktionären Haltung geblieben." Fairerweise muss man aber auch die Worte von Wolfgang Brauer von der Linkspartei zitieren: "Die Ausbürgerung Biermanns 1976 war ein Akt der Willkür und des Unrechts, der durch nichts zu entschuldigen ist und letztendlich auch eine Art Harakiri der DDR bedeutete."

Als ihm Bundespräsident Köhler im November vergangenen Jahres das Bundesverdienstkreuz "in Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste" überreichte, sah das Biermann auch als eine Auszeichnung "für all die tapferen Namenlosen" in der DDR, die Widerstand geleistet beziehungsweise Zivilcourage gehabt haben. Ohne solche Menschen hätte er gegen das "totalitäre Pack" keine Chance gehabt, meinte der Liedermacher im Berliner Schloss Bellevue. Dem kann der frühere DDR-Bürgerrechtler und heutige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nur zustimmen: "Wolf Biermann war in der DDR mutig und frech und unverschämt zu Zeiten, als wir alle anderen eher vorsichtig, ängstlich, feige oder eher gemäßigt waren, das werde ich ihm nie vergessen."

Der Liedermacher selbst aber erlebte seine Ausbürgerung im November 1976 aus der DDR zunächst "als das Ende von Wolf Biermann", wie er sich später erinnerte. Er habe zunächst auch eine Riesenangst im Westen gehabt. Aber letztendlich habe die SED ihm einen Riesengefallen getan. "Es schadet ja nichts, wenn ein Sänger auch mal öffentlich singen kann, wenn ein Dichter auch mal ein bisschen mehr von der Welt sieht als seinen kleinen DDR-Pisspott, wenn man mal Geld bekommt statt Schläge."

Biermann gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und ist mit Preisen überhäuft worden, vom Georg-Büchner-Preis über den Heinrich-Heine-Preis bis zum Deutschen Nationalpreis. Auch als Nachdichter von Shakespeare oder Bob Dylan machte sich Biermann einen Namen.

Zu seinem 70. Geburtstag im vergangenen November hat er sich einen neuen Gedichtband geschenkt ("Heimat", Hoffmann und Campe), dessen Titelgedicht mit der Zeile beginnt "Ich suche Ruhe und finde Streit". Biermanns Lebensmotto aber blieb: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu". Und was Berlin betrifft, dichtete der Liedermacher in früheren Jahren einmal: "Bye-bye, Berlin, dir blüh ich wieder / das soll 'ne sanfte Drohung sein...Det Komische is: Nu bin ick alt / Jetzt kommt dis Berlin mir wieder."

Von Wilfried Mommert, dpa

Quelle: ntv.de

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