Ehrenbürgerwürde naht Biermann und Berlin
07.01.2007, 11:58 UhrDer Bundespräsident hat ihm als "Dank des Vaterlandes" das Verdienstkreuz verliehen, seine Vaterstadt Hamburg ehrte ihn mit der Medaille für Kunst und Wissenschaft. Jetzt soll dem heute wieder in Hamburg lebenden Liedermacher und rebellischen Poeten Wolf Biermann nach dem Willen von CDU, Grünen und der FDP die Ehrenbürgerwürde Berlins verliehen werden.
Es ist jene Stadt, aus deren Osthälfte Biermann zu DDR-Zeiten 1976 rausgeschmissen und damit wegen "grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten" aus dem "sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat" sogar ausgebürgert wurde. An diesem Montag (8. Januar) wird im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses beraten, ob der im vergangenen November 70 Jahre alt gewordene Biermann an die Seite von Ehrenbürgern wie Willy Brandt, Konrad Adenauer, Michail Gorbatschow und Ronald Reagan gestellt werden soll.
Es ist der schwierige Berliner Versuch der Wiedergutmachung und Versöhnung. Nach der Wiedervereinigung hatte Biermann schon einmal vergeblich versucht, in seine alte, legendäre Wohnung an der Chausseestraße 131 zurückzukehren, die eines der berühmtesten Schallplatten-Cover Biermanns aus seiner Berufsverbotszeit in der DDR im Westen zierte. Doch in der Wohnung sitzt seit Jahren ausgerechnet der frühere Pressesprecher der PDS (und heutige Feuilletonchef des einstigen SED-Zentralorgans "Neues Deutschland"), Hanno Harnisch. Harnisch äußerte seinerzeit Verständnis für Biermanns Rückkehrwunsch, pochte aber - nach eigenen Angaben im Interesse seiner Frau und Kinder - auf seinen gültigen Mietvertrag. Die Ehrenbürgerwürde für Biermann sehe er heute aber als "eine Art Wiedergutmachung" für erlittenes Unrecht in DDR-Zeiten für Biermann.
Biermann hatte den Knatsch um seine Wohnung, vorangetrieben vor allem von Freunden wie dem inzwischen verstorbenen Schriftsteller Jürgen Fuchs und dem Berliner Rechtsanwalt und CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns, schließlich satt. In das "stasi-versiffte Loch" direkt gegenüber der einstigen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik wollte der Liedermacher nun nicht mehr. "Mir tut das weh", meinte er zu dem öffentlichen Streit um seine Wohnung. Die Rückkehr hätte ihn als Künstler befruchten können. "Ich bin zwar Hamburger, aber ich gehöre eigentlich nach meinem Leben her nach Berlin." Auch wenn er hier auf der Straße vor seiner alten Wohnung "alle zehn Meter einen ehemaligen Spitzel und alle elf Meter einen alten Freund" treffe.
Immerhin bot ihm Ende der 90er Jahre das renommierte Wissenschaftskolleg zu Berlin einen Jahresaufenthalt in der Stadt an, die ihn geprägt hat. "Trotz meiner hanseatischen Kiemen hinter den Ohren wurde ich doch ein 'Baliiiner'", meinte Biermann einmal. Es wird wohl aber so etwas wie eine Hassliebe sein. "Adieu Berlin" nannte er dann auch ein Lied auf seinem 1999 erschienenen "Berliner Bilderbogen". Immerhin gehört Biermann ein ihm lieb gewordenes Teil vom Ost-Berliner Kiez auch "janz persönlich", wie er zu sagen pflegt - der von ihm viel besungenen "preußische Ikarus", jener gusseiserne Adler auf der Weidendammer Brücke über die Spree neben dem Berliner Ensemble, wo Biermann in den 50er Jahre Regieassistent war.
In einem anderen Lied singt Biermann: "Bye-bye, Berlin, dir blüh ich wieder / Das soll 'ne sanfte Drohung sein". Jetzt geht es aber erst einmal um die Ehrenbürgerschaft, die nach Meinung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) "ebenso einleuchtend wie überfällig" ist. Das sei "mehr als eine symbolische Geste der demonstrativen Wiedereinbürgerung eines deutschen demokratischen Republikaners in die Hauptstadt".
(Wilfried Mommert, dpa)
Quelle: ntv.de