US-Soldat desertiert Blogger fordern Todesstrafe
03.02.2009, 17:48 UhrIn Internetblogs wird er als Feigling beschimpft, sogar die Todesstrafe für den desertierten US-Soldaten wird gefordert. Das US-Militär nennt Andr Shepherd einen AWOL ("Absent without Leave" - "Ohne Erlaubnis abwesend"). Denn im April 2007 desertierte der zuvor im Irak-Krieg eingesetzte Soldat und lebte fortan illegal in Bayern. Im November vergangenen Jahres stellte er einen Antrag auf politisches Asyl und ist damit der erste US-Soldat, der in Deutschland als Flüchtling Schutz sucht. Am Mittwoch steht Shepherd die erste mündliche Anhörung durch das Bundesamt für Migration bevor. Sein Entschluss steht fest. Er möchte in Deutschland bleiben.
Weil er nicht mehr Teil eines "illegalen Krieges" sein wollte, floh Shepherd aus der US-Armee. "Niemand sollte dafür bestraft werden, wenn er etwas tut, von dem er glaubt, dass es das Richtige ist", sagt der 31-jährige Schwarze. Doch Fahnenflucht ist in den USA ein Verbrechen, auf das nach dem US-Militärstrafgesetzbuch (UCMJ) eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren steht. In Kriegszeiten kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Sollte Shepherds Asylantrag abgelehnt werden, droht ihm die Auslieferung an die US-Militärbehörden. Für ihn geht es bei der Anhörung am Mittwoch also um weit mehr als nur um seine Sicht auf den Irak-Krieg, auch wenn Shepherd sagt: "Das ist meine Chance, meine Seite der Geschichte zu erzählen."
Keine Beteiligung an "illegalem Krieg"
"Wir haben es hier mit einem Soldaten zu tun, der seinem Gefühl und seiner persönlichen Verantwortung folgt", sagt Tim Huber von der Beratungsorganisation für US-Soldaten, Military Counseling Network (MCN), an die sich Shepherd gewandt hat. Der Fall werde "enorme Auswirkungen" haben, sollte der Asylantrag bewilligt werden. Nach deutschem Recht müssen Soldaten Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. "Nur Befehle auszuführen, ist keine Entschuldigung", sagt Huber.
Mit 26 Jahren und auf der Suche nach einer neuen Perspektive verpflichtete sich der in Ohio geborene Shepherd im Januar 2004 zum Militärdienst. Ihm kam diese Möglichkeit zu diesem Zeitpunkt gerade recht. Er hatte Informatik an der State University in Kent studiert, brach das Studium aus finanziellen Gründen jedoch ab und jobbte in einer Fastfood-Kette. Als Hubschraubermechaniker war er zwischen September 2004 und Februar 2005 im Irak stationiert. Dort wuchsen seine Zweifel an dem Einsatz und er begann, sich über den Krieg zu informieren.
"Ich sah große Widersprüche zwischen dem, was uns erzählt wurde und dem, was tatsächlich geschah", erzählt Shepherd in einer von der Organisation Connection veröffentlichten Erklärung. Connection arbeitet eng mit dem MCN zusammen. Als Shepherd wieder an den US-Luftwaffenstützpunkt in Süddeutschland verlegt wurde, stand für ihn fest: An diesem "illegalen Krieg" werde er sich kein zweites Mal beteiligen. Als er im April 2007 erneut in den Irak versetzt werde sollte, floh er. "Ich packte einige Habseligkeiten und verschwand mitten in der Nacht." 19 Monate versteckte er sich in Süddeutschland, bevor er Asyl beantragte.
Politisch brisanter Fall
Für Shepherds Anwalt Reinhard Marx ist es auch ein politisch brisanter Fall. Er stützt sich in dem Antrag auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Qualifikationsrichtlinie. Danach soll jedem Menschen Asyl gewährt werden, der die Beteiligung an einem Konflikt ablehnt, bei dem Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt werden. Die Befragung durch das Bundesamt für Migration, das dem Bundesinnenministerium untersteht, wird hinter verschlossenen Türen stattfinden. Eine Entscheidung über den Antrag kann laut Marx in den nächsten vier Monaten fallen.
"Shepherd steht ein asylrechtlicher Schutz zu", sagt auch Rudi Friedrich von Connection. Erstmals werde in einem Asylantrag zudem "sehr deutlich und bewusst" auch auf das EU-Recht verwiesen. "Nun muss auf den Prüfstand, wie haltbar es ist", sagt Friedrich.
Sollte sein Antrag abgelehnt werden, will Shepherd dagegen klagen. Er will in Deutschland bleiben, hat hier Freunde und eine feste Beziehung gefunden. "Ich werde weiter kämpfen", sagt Shepherd. "Ich habe absolut kein Bedürfnis, zurück in die USA zu gehen."
Claudia Horn, afp
Quelle: ntv.de