Dossier

Schlimmer als im Irak Briten sterben in Afghanistan

Die britische Regierung steht weiter zu der schwierigen Operation in Afghanistan.

Die britische Regierung steht weiter zu der schwierigen Operation in Afghanistan.

(Foto: dpa)

Mit trauriger Regelmäßigkeit tröpfeln aus Afghanistan die Nachrichten von getöteten britischen Soldaten ein. Die meisten Briten nahmen davon bisher wenig Notiz. Doch einen so heftigen Schlag wie jetzt hat es selten gegeben: Innerhalb von 24 Stunden kamen acht Briten in Afghanistan um; in zehn Tagen waren es 15 Tote. Für die Psyche des Landes ist allerdings eine andere Zahl entscheidend: Dass in Afghanistan nun insgesamt mehr Soldaten als im Irak starben.

Kurz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 marschierten die Briten in Afghanistan gegen die radikalislamischen Taliban auf. Doch der fast achtjährige Kampf stand dann lange im Schatten des Irakkriegs. Jetzt aber - nachdem die Briten endgültig aus dem Irak abgezogen sind - richtet sich die volle Aufmerksamkeit auf den "vergessenen" Krisenherd.

Nach 184 Toten (im Irak waren es in sechs Jahren 179) wird der Ruf nach einer neuen Strategie der Regierung immer lauter. Viele fragen sich: Ist es das wert? Denn ein Ende des Sterbens ist nicht in Sicht. Im Gegensatz zu den Deutschen sind die Briten in der gefährlichen südlichen Provinz Helmand im Einsatz.

Es fehlt an Ausrüstung

Zwar steht die Regierung weiter zu der schwierigen Operation. Hier entscheide sich die "Zukunft Großbritanniens", sagte Außenminister David Miliband. Afghanistan und die Grenzregion zu Pakistan dürfen nicht wieder zur "Abschussrampe" für Terror-Anschläge werden. Doch der Öffentlichkeit ist der Einsatz, der früher stets mehr Unterstützung hatte als der im Irak, immer schlechter zu verkaufen. "Die Tatsache, dass wir nun die Opferzahlen im Irak übertreffen, könnte den entscheidenden Wendepunkt in der öffentlichen Meinung bringen", warnte der ehemalige Chef der Liberaldemokraten, Menzies Campbell. "Die Soldaten müssen wissen, dass sie die volle Unterstützung haben."

Moralische Hilfe ist aber nicht genug: Sie brauchen auch die nötige Ausrüstung. Doch genau daran fehlt es offenbar. Militärchefs und Soldaten beklagen seit langem, nicht genug Mittel zu haben. Die Regierung habe den Kampf "an der Heimatfront" verloren, kritisiert die britische Presse beinahe einstimmig. Sie habe verpasst, den Menschen den Einsatz zu erklären und dem Militär die nötige finanzielle Unterstützung zuzusagen. Der Kampf gegen die Taliban solle entweder "ganz oder gar nicht" geführt werden, kritisierten die Liberaldemokraten.

Regierung im Dilemma

Eine weitere Forderung: Seit die Briten kürzlich aus dem Irak abgezogen sind, könnten mehr Soldaten nach Afghanistan geschickt werden. Die Rede ist von 2000 Mann. Doch die Regierung stockte die Zahl der bisher rund 8000 Soldaten lediglich vorübergehend um 300 für die anstehenden Wahlen in Afghanistan auf. Den Ruf nach mehr Soldaten lehnte Premierminister Gordon Brown bisher ab.

Die Regierung steckt in einem Dilemma: Einerseits fordert das Militär mehr Streitkräfte, auf der anderen Seite heißt es, das Personalkontingent sei sowieso schon überstrapaziert. "Wir haben nicht genug Truppen, um diese Art von Operationen durchzuführen", sagte Jeremy Greenstock, ehemaliger britischer UN-Botschafter.

Während Politiker über die Zahl der Toten diskutieren, steckt für die Soldaten und die Familien vor allem ein schlimmer Verlust dahinter: "Ob es der 179. oder der 200. Tote ist, die Soldaten denken nicht über die Nummer nach. Aber hinter jeder Nummer steht ein Name und eine Geschichte", sagte der ehemalige Soldat Doug Beattie. "Kein Soldat in Afghanistan wird sagen, das ist der 179. - sie werden sagen, das ist mein Freund, das ist mein Zimmerkollegen das ist mein Befehlshaber."

Quelle: ntv.de, Annette Reuther, dpa

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