Schmutzige Kampagne Büchsenspanner gegen Seehofer
16.01.2007, 16:21 UhrIlloyalität sollte ihm niemand nachsagen können. Und so war Horst Seehofer der erste unter den CSU-Spitzenpolitikern, der mit Macht Ambitionen auf die Nachfolge des schwer ins Straucheln geratenen CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber dementierte.
"Edmund Stoiber bleibt Ministerpräsident und Parteichef", sagte der 57-jährige Bundeslandwirtschaftsminister und CSU-Vize bereits in der vergangenen Woche apodiktisch, nachdem sich das CSU-Präsidium hinter den angeschlagenen Parteichef gestellt und ihm die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl im nächsten Jahr überlassen hatte.
Selbst nach Stoibers möglicherweise entscheidendem Fehler - er hatte die Zusage, "auch über 2008 hinaus" auf ihn zu setzen, öffentlich als Freifahrtschein für eine weitere komplette Legislaturperiode als Ministerpräsident interpretiert - hält sich Seehofer bedeckt.
Dabei sind seine Ambitionen auf den Parteivorsitz in der CSU seit längerem kein Geheimnis. Und einige empfinden den häufig unorthodoxen Oberbayern nun offenbar als eine so große Gefahr, dass sie in die unterste Schublade greifen, um dessen weiteren Aufstieg zu vereiteln: In der Partei und darüber hinaus will jedenfalls so gut wie niemand für Zufall halten, dass just zu dem Zeitpunkt, da Seehofer immer häufiger als Stoibers Nachfolger an der CSU-Spitze fällt, angebliche Enthüllungen über sein Privatleben die Boulevard-Schlagzeilen bestimmen.
"Hier ist eine härteste unanständigste Schmutzkampagne im Gang, um jemanden mit Moralvorstellungen abzuschießen, die vorn und hinten nicht in die Zeit passen", urteilt der Politikwissenschaftler und CSU-Kenner Heinrich Oberreuter. Die Partei - von Stoiber über Innenminister Günther Beckstein bis hin zu Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann - stellte sich angesichts der "abstoßenden Vorgänge" am Dienstag eilig hinter Seehofer. Dieser sagte nach einem Bericht, seine langjährige Geliebte erwarte ein Kind von ihm, alle Termine ab und nahm selbst an der Sitzung des Bundeskabinetts nicht teil.
Ob es den anonymen Büchsenspannern gelingt, Seehofers weiteren Aufstieg zu stoppen, hält Oberreuter ebenso wie Forsa-Chef Manfred Güllner für fraglich. "In Bayern ticken die Uhren zwar noch anders, aber entscheidend interessiert das die Leute heute nicht mehr", sagt Güllner.
Dass sein Name nun in keiner der Personalspekulationen für die Nach-Stoiber-Ära fehlt, hat Seehofer auch demjenigen zu verdanken, den er nun beerben könnte: Es war Stoiber, der seinen Vize als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister in der großen Koalition durchsetzte. An der Basis war der Minister der Regierung Helmut Kohl - Seehofer war von 1992 bis 1998 Gesundheitsminister - zwar auch in politisch schwierigen Zeiten sehr beliebt. Zu Beginn des Regierungsbündnisses SPD und Union stand er aber längst nicht mehr in der ersten Reihe.
Der Gesundheitsexperte hatte sich nämlich ein Jahr zuvor im Streit zwischen den Schwesterparteien um eine Gesundheitsreform isoliert und den von ihm als unsozial kritisierten Kompromiss nicht mitgetragen. Er verlor die Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik und gab schließlich den stellvertretenden Vorsitz der Unions-Bundestagsfraktion auf. Sein Credo als Sozialpolitiker der "kleinen Leute" kultivierte Seehofer fortan als bayerischer Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK.
Seine enge Verankerung an der Basis hat Seehofer nie vernachlässigt. Mit 65,9 Prozent holte er bei der Bundestagswahl 2005 das zweitbeste Ergebnis für die CSU. Im Wahlkampf hatte er mit Äußerungen wie "die Zeit der neoliberalen Flausen ist vorbei", zudem bundesweit das soziale Profil der Union gegen SPD und die aufkommende Linkspartei/PDS geschärft.
Auch in seinem Amt als Verbraucherschutzminister nutzte Seehofer die sich bietenden Chancen zur Profilierung. Als Anfang 2006 die Vogelgrippe in Deutschland erstmals nachgewiesen wurde, forderte er Tornado-Aufklärer der Bundeswehr, ABC-Trupps und Hundertschaften Soldaten zur Bekämpfung der Tierseuche an.
Bei aller Ambition gibt es, nachdem er vor einigen Jahren eine lebensbedrohliche Erkrankung überstanden hat, aber auch eine ruhigere Seite Seehofers: "Es gibt auch den Zustand der Zufriedenheit mit dem, was man macht", versicherte er in einem Interview vor einigen Monaten.
(Thomas Krumenacker, Reuters)
Quelle: ntv.de