Medaille und dann Weihnachten Bush besucht Kabul
15.12.2008, 14:22 UhrDer afghanische Präsident Hamid Karsai verlieh George W. Bush für dessen Verdienste um Afghanistan die höchste Auszeichnung der Kabuler Regierung, eine Medaille. Viele Afghanen dürften aber eher Sympathien für den Journalisten in Bagdad gehegt haben, der Bush mit seinen Schuhen beworfen hatte. Bushs Regierung und die als wenig feinfühlig geltenden US-Soldaten haben die Sympathien für Amerika am Hindukusch auf einen Tiefpunkt sinken lassen. Die Taliban müssen den letzten Auftritt des US-Präsidenten in Kabul mit Genugtuung verfolgt haben. Bush hatte sie bereits fast totgesagt. Die Aufständischen haben aber nicht nur seine Amtszeit überlebt, sondern sind heute stärker denn je.
Der von Bushs Regierung begonnene Krieg im Irak hat für viele Afghanen die Propaganda der Taliban plausibel erscheinen lassen: Dass es Bush in Wirklichkeit nicht um Demokratisierung gehe, sondern um einen "Kreuzzug" gegen Muslime. Die Gewalt im Irak lenkte nicht nur das Augenmerk der Weltöffentlichkeit weg von Afghanistan, wo sich die Lage schleichend verschlechterte. Er band zudem wichtige militärische und finanzielle Ressourcen - Soldaten und Dollar, die bei der Stabilisierung und beim Wiederaufbau Afghanistans fehlten. Während sich die Sicherheitslage im Irak in den vergangenen Monaten verbesserte, scheint Afghanistan in einer Abwärtsspirale gefangen.
Fortschritte nicht ausreichend
Im vergangenen Mai wurden am Hindukusch erstmals mehr ausländische Soldaten getötet als im Irak. Für die internationalen Truppen ist dieses Jahr das verlustreichste seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Seit Jahresbeginn starben nach Angaben des unabhängigen Interndienstes icasualties.org 280 ausländische Soldaten am Hindukusch, mehr als die Hälfte davon Amerikaner. Bush meint, die Zunahme der Gewalt sei auch darauf zurückzuführen, dass die immer stärkeren Truppen den Kampf zu den Taliban trügen. So argumentiert die NATO, die die Internationale Schutztruppe ISAF führt, bereits seit 2006. Seitdem hat sich die Sicherheitslage verschlechtert.
Auch Bush räumt ein, die Taliban "sind tödlich und sie sind hart, da gibt es keine Frage". Er betonte aber, die USA würden Afghanistan zum Erfolg verhelfen, "egal, wie lange es dauert". Karsai versuchte es bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Mentor trotz der desolaten Lage seines Landes mit einem Scherz. Man werde die Staatengemeinschaft nicht aus der Verantwortung entlassen, bevor Afghanistan nicht auf den eigenen Füßen stehe und sich selber verteidigen könne - "und bevor wir von Präsident Bush und der nächsten Regierung nicht Abermilliarden mehr Dollar genommen haben".
Der scheidende US-Präsident lachte. Andere westliche Regierungschefs könnten Karsais Humor angesichts des immer teureren Engagements in Afghanistan und der bedrohlichen Finanzkrise weniger amüsant gefunden haben - zumal afghanischen Regierungsvertretern Korruption vorgeworfen wird. Zwar stimmt, was Bush immer wieder betonte: Dass es Fortschritte in Afghanistan besonders im Bildungs- und Gesundheitsbereich gegeben hat. Doch sind diese Fortschritte nicht ausreichend, um Afghanistan zu befrieden.
Rechtfertigung mit Anti-Terror-Kampf
Bush rechtfertigte seine Afghanistan-Politik auch mit dem Anti-Terror-Kampf. "Es gab eine Gruppe Mörder, die sich hier versteckte, hier trainierte und hier plante, Bürger meines Landes umzubringen", sagte er. "Unmittelbar nach den Angriffen (vom 11. September 2001) habe ich deutlich gemacht, dass wir diese Menschen zur Rechenschaft ziehen werden." Afghanistan sei kein "sicherer Hafen" für das Terrornetz Al-Kaida mehr. Was Bush nicht erwähnte: Al-Kaida-Chef Osama bin Laden wurde nie gefasst. Dabei war die Weigerung der Taliban, den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge auszuliefern, der Grund des US-geführten Angriffs auf Afghanistan. Bush ging auch nicht darauf ein, dass inzwischen die Stammesgebiete im benachbarten Pakistan der Al-Kaida als Zufluchtsort dienen.
Gut gelaunt beendete der scheidende Präsident die Pressekonferenz mit Karsai und den Blitzbesuch am Hindukusch. Mit Verweis auf seine familiären und vorweihnachtlichen Verpflichtungen verabschiedete er sich von den Afghanen. Er müsse nun dringend wieder in die Heimat, sagte Bush, "weil meine Frau mich zurück in Washington erwartet. Wir haben einen Feiertags-Empfang im Weißen Haus, deswegen muss ich mich beeilen, zurückzukehren."
Quelle: ntv.de, Can Merey, dpa