Nancy Pelosi Bushs politischer Albtraum
04.01.2007, 19:12 UhrSechs Jahre lang hat Präsident George W. Bush Nancy Pelosi gerne ignoriert, manchmal sogar verspottet. Aber jetzt wird er sich mit der 66-Jährigen arrangieren müssen. Mit dem Sieg der Demokraten im Repräsentantenhaus wird sie als erste Frau neue Präsidentin der Kammer. Gefallen dürfte Bush das nicht, denn die Mutter von fünf Kindern ist so etwas wie sein politischer Albtraum.
"In den nächsten zwei Jahren wird sie die wichtigste Demokratin im politischen Washington sein", sagt Jörg Semmler, Experte für US-Parlamentsrecht. "Sie kann nach zwölf Jahren der republikanischen Mehrheitsherrschaft das Amt zu einer Plattform für eine nationale Oppositionsführerschaft gegen Bush machen. Mit anderen Worten: Sie dürfte die mächtigste Gegenspielerin des Präsidenten werden."
Bereits als Minderheitsführerin der demokratischen Fraktion setzte Pelosi alles daran, Bush das Leben schwer zu machen. Die Kongresswahl machte sie zu einem Referendum über die Regierung. Sie hatte damit maßgeblichen Anteil daran, dass der Urnengang im November eine Abstimmung über den unbeliebten Irak-Krieg und die Skandale der Republikaner wurde. Noch während die letzten Stimmen ausgezählt wurden, kündigte Pelosi einen Politikwechsel an. "Herr Präsident, wir brauchen eine neue Ausrichtung im Irak", sagte sie. "Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden." Bislang war Bush auf eine solche Zusammenarbeit nicht angewiesen.
Erstmals eine Frau
Dem 110. Kongress wird nicht nur zum ersten Mal in der mehr als 200-jährigen Geschichte der Kammer eine Frau vorstehen. Die Demokraten haben auch den Vorsitz in allen Ausschüssen und können Ermittlungen einleiten. Zum Beispiel will Pelosi untersuchen lassen, ob die Bush-Regierung vor dem Beginn des Irak-Kriegs Tatsachen manipuliert hat, um die US-Bürger von der Entscheidung zu überzeugen.
Zwar lehnt Pelosi ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush ab. Sie hat auch versprochen, nicht die Haushaltsbefugnisse des Repräsentantenhauses zu nutzen, um die Finanzmittel für den Irak-Krieg zu kürzen. Aber ebenso hat sie angekündigt, nach den jüngsten Skandalen im Kongress dessen Arbeitsweise zu ändern. "Vielleicht braucht es eine Frau, um im Repräsentantenhaus aufzuräumen", sagte sie. Vorladungen der Ausschüsse könnten sich auch Bushs Kabinettsmitglieder nicht entziehen.
Ins Visier genommen
Entsprechend scharf hatten die Republikaner Pelosi bis zuletzt ins Visier genommen. Während des Wahlkampfs unterstellten sie ihr in Fernsehspots, die Steuern anheben und den Krieg gegen den Terrorismus zurückfahren zu wollen. Sie werde sich auch den Konservativen in den Weg stellen, die Homo-Ehe und Abtreibungen verbieten wollten, hieß es. Vergeblich: Pelosi wird als Präsidentin des Repräsentantenhauses hinter Bush und Vize-Präsident Dick Cheney zur Nummer Drei der politischen Hierarchie aufrücken.
Pelosi hat das politische Geschäft von ihrem Vater gelernt, der Bürgermeister von Baltimore an der Ostküste war. Zu ihrer ersten Kongresswahl trat sie Mitte der 80er Jahre an, 2003 wurde sie Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus. Ihr Wahlbezirk umfasst den größten Teil der liberalen Metropole San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien.
(Thomas Ferraro und Christian Rüttger, Reuters)
Quelle: ntv.de