Dossier

Klartext oder Tollpatsch? Cameron trifft Fettnäpfchen

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(Foto: REUTERS)

David Cameron hat in den 100 Tagen Amtszeit schon reichlich für Schlagzeilen gesorgt. Besonders im Ausland wirkt der Premier nicht ganz sattelfest. Die Opposition feixt.

Während sich die große Mehrheit der Briten im Urlaub sonnt und das Parlament in Westminster Ferien macht, hat die Presseabteilung in der Downing Street Schwerstarbeit zu leisten. Der britische Premierminister David Cameron hat sich in den ersten Wochen seiner Amtszeit gleich zu mehreren umstrittenen Äußerungen hinreißen lassen. Die Pressesprecher mussten sich jedes Mal mächtig in die Riemen legen, um zurückzurudern. Die Briten fragen sich, ob ihr junger Premier einfach nur gerade heraus ist oder aber ein Tollpatsch.

Einmal nennt Cameron zum Entsetzen des Verbündeten Israel den Gazastreifen "ein riesiges Gefängnis" und gefällt damit seinen türkischen Gastgebern. Dann redet er bei einem Bürgerforum in der Provinz von den großen Problemen in der Welt, wie der "Tatsache, dass der Iran über eine Nuklearwaffe verfügt". Er habe sich "versprochen", hieß es kurz danach von seiner Medienabteilung. Später, nach längerem Nachdenken: "Cameron hat über das Trachten des Iran nach Atomwaffen gesprochen."

Die Labour-Opposition, von Patzern ihres eigenen früheren Premiers Gordon Brown durchaus gestählt, gibt sich entsetzt: Die Iran-Frage sei eines der wesentlichen Probleme in der Weltpolitik, sagte etwa Labour-Politiker Chris Bryant. Es sei nicht nur "ausgesprochen peinlich", dass dem britischen Premierminister bei einem solchen Thema ein solch "grundsätzlicher Fehler" unterlaufe. Nein, es sei geradezu gefährlich.

In die Reihe von Camerons Ausrutschern passt, dass er bei seiner USA-Reise sein eigenes Volk als "Juniorpartner" der USA bezeichnete, als 1940 der Kampf gegen Nazi-Deutschland losbrach. Als Absolvent der Eliteschule Eton hätte er aus dem Geschichtsunterricht wissen sollen, dass die Amerikaner 1940 noch gar nicht in den Zweiten Weltkrieg verwickelt waren und seine Vorfahren dem Hitler-Regime alleine ausgesetzt waren, meinte die Opposition.

Erinnerungen an "Bushs Pudel"

Das Bild von "Bushs Pudel" Tony Blair, mit dem Camerons Torys selbst seinen Labour-Vor-Vorgänger gerne wegen dessen US-Hörigkeit im Irak-Krieg verhöhnten, war plötzlich wieder in den Köpfen. Er habe "die 40er Jahre gemeint", hieß es zur Erklärung wenig später kleinlaut von den Kommunikationsprofis aus der Downing Street.

Kaum waren die Wogen geglättet, reiste Cameron nach Indien und leistete sich gleich den nächsten diplomatischen Schnitzer. Die einstige Kolonie und neue Wirtschafts-Weltmacht als wichtigen Handelspartner im Auge, tat er ihr einen allzu gütigen Gefallen: Er brüskierte Indiens Erzfeind Pakistan und bezichtigte das islamische Land indirekt, Terrorismus zu exportieren und nach den Taliban zu schielen. Der pakistanische Geheimdienst sagte umgehend die Reise einer hochrangigen Delegation nach Großbritannien ab.

Wogen-glätten mit Zanardi

Shake hands mit Zanardi.

Shake hands mit Zanardi.

(Foto: dpa)

Wie gut, dass Pakistans Präsident Asif Ali Zardari trotzdem nach London kam. Bei einem Essen auf Camerons Landsitz wurden die Spannungen zumindest offiziell beseitigt. Was sollten die beiden auch anderes tun? Ausgerechnet der vermutlich neue Labour-Chef und damit Camerons wichtigster innenpolitischer Widersacher, David Miliband, brachte es auf den Punkt: "Pakistan braucht uns, und wir brauchen Pakistan."

Pakistan gilt als Schlüsselnation im Kampf gegen den islamistisch motivierten Terrorismus. "Stürme kommen und gehen", sagte Zardari zu den diplomatischen Verwicklungen der vergangenen Tage, nachdem ihm Cameron großzügige Finanzhilfen versprochen hatte. Währende Zardari durch Europa reist, kämpfen seine Landsleute gerade gegen eine der schlimmsten Flutkatastrophen in der Geschichte des Landes: Auch Zardari braucht eine gute PR-Abteilung.

Quelle: ntv.de, Michael Donhauser, dpa

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