Dossier

Gegenpropaganda überzeugt China pflegt weiße Weste

China hat eine massive Propagandakampagne gegen die antichinesischen Proteste beim olympischen Fackellauf um die Welt gestartet. Das wichtigste Angriffsziel sind ausländische Medien, denen "verfälschte" Berichterstattung über die Proteste der Tibeter gegen die chinesische Fremdherrschaft in dem größten Hochland der Erde vorgeworfen werden. Das Ausmaß und die Schärfe der chinesischen Gegenkritik sind ein Zeichen für die Sorge der kommunistischen Führer in Peking, dass nach dem Spießrutenlauf des Olympischen Feuers auch der reibungslose Ablauf der Sommerspiele in Peking in Gefahr geraten könnte. Mit ihren Angriffen auf ausländische Journalisten diskreditiert der Propagandaapparat in China durchaus erfolgreich die Glaubwürdigkeit der Nachrichten aus dem Ausland, schürt den Nationalismus und sichert sich somit die Meinungshoheit.

Nach den Zwischenfällen in Paris, wo die Olympische Fackel sogar erloschen war und in einem Kleinbus in Sicherheit gebracht werden musste, konzentrieren sich Chinas Staatsmedien auf die Kritik an den antichinesischen Protesten. "Zuschauer des Fackellaufes waren sehr genervt und verärgert über die tibetischen Separatisten und ihre Unterstützer, die versuchten, das Ereignis in Paris zu stören", schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Ein chinesischer Student namens Liu Zijun wird zitiert: "Die Mehrheit der Franzosen sind China gegenüber sehr freundlich, aber sie haben keine Ahnung, was wirklich in Tibet passiert ist, und sind von verzerrten Berichten einiger westlicher Medien in die Irre geführt worden." Die Medien spielten eine "sehr schlechte Rolle" in dieser Sache, gab die Äußerung des Studenten genau die offizielle chinesische Linie wieder.

Parallele zur Zeit des Imperialismus geschlagen

Eine "Hand voll" Unruhestifter habe der Mehrheit prochinesischer Zuschauern gegenüber gestanden, die sogar mit teilweise selbst genähten chinesischen Nationalflaggen freudig dem Olympischen Feuer zugejubelt hätten, wird in Chinas Zeitungen geschildert. Die Demonstranten wurden als "tibetische Separatisten" beschrieben, ohne dass Proteste gegen Menschenrechtsverstöße oder Chinas umstrittene Rolle in dem Flüchtlingsdrama im sudanesischen Darfur erwähnt wurden. Schon seit Wochen werden die Kritik an China und die Proteste der Tibeter als Verschwörung antichinesischer Kräfte dargestellt, die den Aufstieg Chinas als politische und wirtschaftliche Macht verhindern wollten. Damit wird fast nahtlos an die historische Erniedrigung Chinas durch die einst imperialistischen Mächte angeknüpft.

Solche Töne kommen im patriotischen Volk gut an. Die Vorwürfe über "voreingenommene Berichterstattung" ausländischer Medien werden von Chinesen meist ungeprüft aufgenommen. Dass Tibet zu China gehört - was übrigens der Rest der Welt auch anerkennt - steht für Chinesen ohnehin außer Frage. Die täglich im Staatsfernsehen laufenden Bilder schwer verletzter Chinesen aus Lhasa, die am 14. März brutalen Angriffen von randalierenden Tibetern zum Opfer gefallen sind, lassen auch keinerlei Unverständnis aufkommen. Dass sich die internationale Kritik aber vielmehr gegen die Niederschlagung friedlicher Proteste buddhistischer Mönche, Todesschüsse durch Sicherheitskräfte oder Massenfestnahmen richtet, taucht in Chinas Staatsmedien nicht auf.

Satelliten-TV in zensierter Version

Auch die Satellitenübertragung des US-Nachrichtensender CNN oder des europäischen Eurosport über die Zwischenfälle in Paris wurden häufig zensiert. Waren kritische Stimmen zu hören, verschwand der Ton und wurde der Bildschirm schwarz. Was nach Zensur und Propaganda am Ende bei Chinesen übrig bleibt, ist schon länger das böse Gefühl, dass der Rest der Welt ihnen die Olympischen Spiele nicht gönnt. In Hass erfüllten Emails, Anrufen und manchmal sogar Todesdrohungen gegen ausländische Korrespondenten in Peking entlädt sich ein überbordender Nationalismus. Gezielt wurden Handy-Nummern und andere Kontaktdaten amerikanischer Reporter in Peking, die "falsche Nachrichten über Tibet fabriziert haben", im Internet verbreitet. Der Club der Auslandskorrespondenten in China mahnt zu Sicherheitsvorkehrungen in Büros.

In chinesischen Internetforen, die sonst streng kontrolliert werden, dürfen Chinesen plötzlich auch ihrer Empörung freien Lauf lassen. In ihrer jüngsten Strategie, die öffentliche Diskussion gezielt zu beeinflussen, stellen Propagandaabteilungen als "normale Nutzer" sogar selbst Beiträge in solche Foren. Die Zwischenfälle beim Fackellauf "enthüllen eindeutig die bösartigen Motive der tibetischen Separatisten", fasst "China Daily" das Ergebnis solcher Diskussionen in den verschiedenen Internetforen zusammen. Es stärke nur die Entschlossenheit, die tibetische Unabhängigkeitsbewegung niederzuschlagen.

Von Andreas Landwehr, dpa

Quelle: ntv.de

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