Zwischenruf Das liebe Federvieh
07.04.2006, 15:25 Uhrvon Manfred Bleskin
Mancher gibt sich viele Müh'
Mit dem lieben Federvieh;
Einesteils der Eier wegen
Welche diese Vögel legen,
Zweitens: weil man dann und wann
Einen Braten essen kann;
Drittens aber nimmt er auch
Das Geld gern an, das man damit verdienen kann.
Zu denen gehört Lorenz Eskildsen. Das ist durchaus ehrenhaft, und Eskildsen hat so eine ganze Menge Geld gemacht. Davon zeugen nicht zuletzt die drei ostelbischen Dependancen, die sein Unternehmen im brandenburgischen Neuseddin, im Oberlausitzer Königswartha und im sächsischen Wermsdorf unterhält. Der Stammsitz befindet sich im holsteinischen Gudendorf.
Ausgerechnet in einer der Filialen dieser mit hoher Professionalität betriebenen Gruppe bricht nun zum ersten Mal in Deutschland unter Nutzvieh die Geflügelpest aus. Rund 15.000 Tiere werden getötet. Gänse, Puten, Hühner. Im Nachbarbetrieb etwa noch einmal so viele.
Der Wermsdorfer Betrieb mit dem Schwerpunkt Gänsezucht liegt etwa 20 Kilometer südöstlich von Leipzig, mitten in einem Naturschutzgebiet. Dort sagen sich zwar nicht Fuchs und Hase gute Nacht, wohl aber Blesshuhn und Schwan. So vermutet der Leiter des Instituts für Geflügelkrankheiten an der Freien Universität Berlin, Mohamed Hafez, dass sich die frei laufenden Gänse über Wildvögel angesteckt haben. Dann sei Gänsekot in den Putenstall getragen worden. Denn das Virus wurde bei Truthühnern festgestellt und nicht bei Gänsen. Der Mensch kann es nicht gewesen sein, denn der betritt die Ställe über ein Desinfektionsfußbad. Unwahrscheinlich ist, dass Eskildsens Gänse so diszipliniert sind.
Wie aber können die undisziplinierten Gänse mit Wildvögeln oder deren Kot in Kontakt gekommen sein, wenn sie eigentlich Ausgehverbot haben? Denn Wildvögel sind ebenso undiszipliniert wie ihre domestizierten Artgenossen und kommen nach reichlichem Mahl in der geschützten Landschaft einem tierischen Bedürfnis nach. Auf oder über dem Wermsdorfer Geflügelhof.
Die "Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der Klassischen Geflügelpest" des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 15. Februar besagt in Artikel 1: "Wer Hühner, Truthühner, Perlhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten oder Gänse (Geflügel) hält, hat diese bis zum Ablauf des 30. April 2006 in geschlossenen Ställen zu halten." Ticken bei Eskildsen die Uhren anders, gilt dort eine laxe Auslegung des Julianischen Kalenders?
Nein. Das Landratsamt im Muldentalkreis hat eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Tiere können laut "Verordnung ..." auch außerhalb geschlossener Ställe gehalten werden, wenn die Freifläche gegen das Eindringen von Vögeln gesichert ist. Nur müssen dann die "Belange der Tierseuchenbekämpfung" gewährleistet sein. Nur allzu verständlich, dass Niedersachsens Landesregierung nun fordert, keine Ausnahmen von der Stallpflicht mehr zuzulassen.
Die Sprecherin des Landratsamts im Muldentalkreis, Margit Gey, hat erklärt, auch "Zuchtgänse müssen ab und zu mal an die frische Luft". Sind halt auch nur Menschen, die Gänse. Landrat Gerhard Gey begründet seine Zustimmung damit, dass Zuchtgänse in dunklen Ställen keine Eier legen und ausbrüten. Keine Eier, keine Gössel, sagt er weiter.
Und kein Geld.
Quelle: ntv.de