Kuriose Probleme prüfen Demokratie auf Anfrage
11.10.2007, 11:33 UhrManche Politikerfragen treiben die Experten in den Bundesministerien vermutlich zur Verzweiflung. "Welchem Recht ist ein getrocknetes Kraut unterworfen?" könnte dazugehören. Potenzial hat auch: "Welche Veränderungen haben sich in den vergangenen Jahren hinsichtlich des zahlenmäßigen Verhältnisses von Pferden mit bzw. ohne Eisenbeschlag ergeben?" Doch egal, welche Schwierigkeiten sich bei der Recherche auftun, beantwortet werden müssen solche Fragen trotzdem. Denn die schriftlichen Anfragen, mit denen die Abgeordneten des Bundestages Antworten von den Ministerien einfordern können, sind ein fester Bestandteil der Demokratie.
"Anfragen sind die am häufigsten angewandten Kontrollinstrumente des Bundestages", sagt Christian Hoose vom Pressereferat des Parlaments. In den Anfragen können Fraktionen oder Gruppen von Bundestagsabgeordneten Fragen aufschreiben und von der Regierung Auskunft verlangen. Das zuständige Ministerium muss innerhalb von 14 Tagen antworten. Sogenannte Große Anfragen werden im Bundestag debattiert, Kleine schriftlich beantwortet. Meist fordert die Opposition die Regierung heraus. Im vergangenen Jahr etwa formulierten FDP, Linkspartei und Grüne zusammen 20 Große und 887 Kleine Anfragen.
Wichtige Fragen am Rande
Nicht immer kommt bei den Ministerien Freude auf, wenn ganze Listen mit Fragen zu Themen wie "Auswirkungen der Bekämpfungsmethode des Rapsglanzkäfers auf Bienen" oder "Verbraucherschutz im Bereich der Schönheitschirurgie" eingehen. "Das macht oft viel Arbeit", sagt Andreas Deffner, Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. "Man muss sich intensiv mit den Fragen befassen." Es gehöre aber zum Tagesgeschäft. In den Ministerien suchen fast immer mehrere Leute nach den richtigen Antworten.
"Natürlich würde sich mancher Mitarbeiter lieber mit den eigentlichen Aufgaben, etwa der Gesetzgebung, beschäftigen", erläutert Deffner. "Wenn dann eine Frage kommt wie etwa, warum Johanniskraut nicht von der Krankenkasse ersetzt wird, ist man manchmal nicht so begeistert." Aber die Beantwortung dieser Anfragen mache immer Sinn. Denn häufig würde Klarheit in bis dahin ungeordnete Themen gebracht.
Persönliche Probleme bürokratisch bearbeitet
Auch wenn das Bürokratie-Deutsch so mancher Anfrage zum Schmunzeln verführt, verstecken sich fast immer ernsthafte und durchaus problematische Themen in den Fragelisten. Hinter den sechs Fragen zum Thema "Probleme bei der Reisefreiheit für transsexuelle Bürger" verbergen sich viele leidvolle Erfahrungen der Betroffenen. Weil der Eintrag im Feld "Geschlecht" in ihrem Reisepass nicht mit ihrem Aussehen übereinstimmt, werden sie an Grenzübergängen festgehalten und schikaniert.
Auch die Kleine Anfrage "Probleme behinderter Menschen mit den Anforderungen an biometrische Erkennung im Reisepass" weist auf ein wenig beachtetes, aber sehr ernstes Thema hin: Einige schwerbehinderte Menschen passen wegen Bewegungsstörungen im Gesicht nicht in das Schema, das die Behörden bei Passbildern von ihnen fordern.
Vor allem die Kleine Anfrage wird oft genutzt, um auf selten diskutierte Themen hinzuweisen. "Gerade die kleinen Fraktionen setzten die Kleine Anfragen als taktisches Mittel ein, um auf Defizite aufmerksam zu machen", erläutert Parlamentssprecher Hoose. "Mit ihren Fragen legen sie die Finger in die Wunde und sagen: Da muss etwas gemacht werden."
Von Britta Gürke, dpa
Quelle: ntv.de