Dossier

Bei den Abgeordneten: Der Aufschwung kommt an

Die verbalen Prügel von der politischen Konkurrenz waren einkalkuliert. Den raschen Rückzug antreten wollte von den Koalitionsmatadoren jedenfalls niemand. Etwas kleinlaut und verlegen, aber trotzdem entschlossen verteidigten sie am Dienstag die satte Gehaltserhöhung, die sich für die 612 Abgeordneten im Parlament bis 2010 auf stolze 15 Prozent summiert. Von einem schlechtem Gewissen darüber, dass der viel beschworene Aufschwung vor allem bei den Parlamentariern gelandet ist, war jedenfalls nichts zu spüren.

Im Gegenteil: Einhellig verwundert zeigten sich Union und SPD über die ganze Aufregung und die Empörung. Wer lesen könne, habe doch mit einem solchen Diäten-Nachschlag rechnen müssen, lautete die Botschaft. "Das ergibt sich klipp und klar aus dem Abgeordnetengesetz", erteilte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer parlamentarische Nachhilfe. Und die Sozialdemokraten assistierten: Dort stehe - wenn auch erst seit kurzem - Schwarz auf Weiß, dass Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst auf die Bezüge der Abgeordneten zu übertragen seien. Das seien "ganz transparente, klare Regeln", meinte ihr SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Noch mal an der Reihe

Auch Hartmut Koschyk von der CSU gab sich kämpferisch: "Ich halte es für angemessen, dass Abgeordnete in Deutschland bezahlt werden wie Richter an Bundesgerichten oder Landräte in mittleren Städten." Nichts anderes habe man jetzt vollzogen. Da die Besoldung dieser Vergleichspersonen durch den jüngsten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst steige, seien auch die Parlamentarier noch einmal an der Reihe gewesen, lautete die Argumentation im Koalitionslager.

Wohl ungewollt wurde damit ver.di-Chef Frank Bsirske zum eigentlichen Vorkämpfer für die Zusatz-Aufstockung der Politiker- Einkünfte. "Wir folgen nur den Spuren der Abgeordneten", hatte Bsirske in der Tarifrunde immer wieder erklärt, nachdem die Koalition schon im letzten November - in rekordverdächtigem Tempo von einer Woche - bereits das erste Kapitel der Diätenerhöhung in zwei Stufen um gut 9 Prozent durchgesetzt hatte. Am Ende schaffte die Gewerkschaft ihr angepeiltes Ziel zwar nicht ganz. Doch der damalige Abschluss dient jetzt den Koalitionsabgeordneten als willkommene Vorlage für den "zweiten kräftigen Schluck" aus der Diäten-Flasche.

Thema schnell aus dem Weg schaffen

Zumindest Karl Heinz Däke, der Präsident des Steuerzahlerbundes, hat dafür eine eigene Theorie. Schon ziemlich verdächtig sei der eher schlappe Widerstand bei Union und SPD gegen den happigen Tarifabschluss im öffentlichen Bereich gewesen. Deshalb dränge sich nun der Eindruck auf, dass über diesen Weg vor allem die Diäten gezielt noch einmal erhöht werden sollten, vermutet Däke.

Entschlossen zeigen sich Union und SPD jedenfalls erneut, das unangenehme Thema - genauso wie vor knapp einem halben Jahr - möglichst schnell wieder aus der Welt zu schaffen. Schon für diesen Freitag ist die erste Beratung im Parlament angesetzt. Und die schon vorsorglich festgelegte Diäten-Marschroute bis 2010 hat den Vorteil, dass darüber im nächsten Bundestagswahlkampf nicht groß gestritten werden muss.

Von Joachim Schucht, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen