Dokumentation Der Eklat von Davos
30.01.2009, 16:19 UhrDer israelische Präsident Schimon Peres hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen vehement verteidigt. Er sprach 25 Minuten - oft lautstark und sehr leidenschaftlich. Peres wandte sich mehrmals an den neben ihm sitzenden türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und griff ihn direkt an. Erdogan hatte vor ihm geredet und dabei Israel wegen der Gaza-Offensive scharf kritisiert. Als der türkische Regierungschef anschließend auf die Äußerungen Peres reagierte, entzog ihm der Moderator David Ignatius von der "Washington Post" unter Berufung auf die abgelaufene Zeit ("Wir können nicht das Dinner warten lassen") das Wort. Erdogan verließ daraufhin wütend den Saal.
In seiner Rede sagte Peres unter anderen:
"Herr Ministerpräsident, lassen Sie mich einige Dinge richtigstellen. (...) In den letzten vier Jahren (...) sind 5500 Raketen und 4000 Mörsergranaten auf das zivile Leben in Israel abgefeuert worden, willkürlich. (...) Herr Ministerpräsident, vier Tage vor der Offensive (als der israelische Regierungschef Ehud Olmert Ankara besuchte und Erdogan nach eigener Aussage nicht über die bevorstehende Militäroffensive in Gaza unterrichtet wurde) hat die israelische Regierung noch keine (diesbezügliche) Entscheidung getroffen. Israel hat den Gazastreifen (im September 2005) vollständig geräumt.
Es gibt dort keine Besatzung mehr. (...) Es gab keinerlei 'Belagerung' von Gaza. (...) Es gab keinen einzigen Tag, an dem in Gaza gehungert worden wäre. (...) Wissen Sie, was es bedeutete, wenn jeden Tag hundert Raketen auf einen abgeschossen wurden? Wenn eine Million Menschen im Schutzraum sein musste? (...) Präsident Mubarak (von Ägypten) beschuldigte (wegen der Opfer in Gaza) die Hamas und nicht uns, und er kennt die Lage um nichts weniger besser als Sie, Herr Ministerpräsident.
Präsident Abbas (Palästinensische Autonomiebehörde) beschuldigt die Hamas und nicht uns. (...) Das Problem sind die iranischen Ambitionen, den Nahen Osten beherrschen zu wollen. Sie statten die Hisbollah (im Libanon) und die Hamas mit Raketen aus. Wir haben keine andere Wahl. Was würde jedes andere Land tun? Was würden Sie tun, wenn jede Nacht zehn oder hundert Raketen auf Sie niedergehen? (...)"
Erdogan erwiderte:
"Entschuldigung, bitte, nur eine Minute. Herr Peres, Sie sind älter als ich. Sie haben sehr laut gesprochen. Ich weiß, dass der Grund dafür Ihr Gefühl der Schuld ist. Ich werde nicht so laut sprechen wie Sie, nur damit Sie es wissen. Wenn es ums Töten geht, mit dem Töten kennt ihr euch sehr gut aus. Wir wissen, wie ihr Kinder am Strand getötet und erschossen habt.
Unter euch gibt es zwei frühere Ministerpräsidenten, die mir etwas sehr wichtiges gesagt haben. Sie sagten, wenn wir auf Panzern und mit Waffen nach Palästina eindringen, sind wir frohen Mutes. Und nun kommen Sie (Peres) mir hier mit Ihren Zahlen. Ich kann Ihnen auch die Namen (der Ministerpräsidenten) sagen. Ich verurteile auch die hier (im Publikum), die diese Grausamkeiten beklatschen. Wenn Sie für die, die diese Kinder and Menschen getötet haben klatschen, ist das auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie ich meine.
Es gibt Tatsachen, über die können wir nicht hinweggehen. Ich habe mir hier viel notiert, habe aber keine Gelegenheit hier auf alles einzugehen. (Der Moderator will ihn unterbrechen) Bitte unterbrechen Sie mich nicht. In der Tora ist das 6. Gebot: Du sollst nicht töten. Aber dort wird getötet.
Auch das ist noch interessant. Gilad Atzmon (ein israelisch-stämmiger Musiker und Autor): 'Die israelische Barbarei übertrifft manchmal noch die Grausamkeit.' Avi Chalem, der seinen Militärdienst in der israelischen Armee gemacht hat und nun Oxford-Professor für internationale Beziehungen ist, und die britische Zeitung 'Guardian'. Sie beschreiben Israel als Banditenstaat. (Der Moderator unterbricht Erdogan hier.) Vielen Dank. Für mich ist Davos damit vorbei. Ich werde nicht mehr kommen. Sie lassen mich nicht reden. Er (Peres) hat 25 Minuten gesprochen. Ich habe 12 Minuten gesprochen. Unmöglich." (Erdogan steht auf und geht.)
Quelle: ntv.de, Quelle: dpa