Lehrer-Mobbing im Internet Die Reißzwecke hat ausgedient
18.07.2007, 18:31 UhrSchülerstreiche sind so alt wie die Schule selbst: Reißzwecken und Klebstoff auf dem Lehrerstuhl, böse Karikaturen auf der Tafel, zugemauerte Schultüren, Bombendrohungen oder gar ein fingiertes Liebesbriefchen für den Junglehrer. Im Film "Die Feuerzangenbowle" hat Heinz Rühmann vor über 60 Jahren all den jugendlichen Übeltätern liebevoll ein Denkmal gesetzt und ein Loblied auf die Schule angestimmt. Doch im Internet-Zeitalter hat das alte Thema Schülerstreiche und Lehrer-Mobbing eine neue Qualität erreicht.
Blieben einst Streich und Folgen auf das überschaubare Umfeld von Klasse und Schule beschränkt, so ist heute das Beleidigen und Diffamieren ungeliebter Lehrer für jedermann im Internet öffentlich sichtbar. Manche Betroffene erfahren erst durch Hinweise von Nachbarn und Kollegen, dass sie Zielscheibe von Spott, Schmähungen oder anonymer Kritik geworden sind. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, prangerte unlängst Videos mit simulierten Lehrer-Hinrichtungen im Internet, Pornomontagen und Drohungen an - und machte damit bundesweit Schlagzeilen.
Die größte deutsche Lehrerorganisation, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), warnt dagegen vor der Dramatisierung und Verallgemeinerung solch spektakulärer Fälle. Zugleich machten aber ihre Sprecher Ulrich Thöne und Marianne Demmer in Berlin deutlich, dass man das neue Lehrer-Mobbing via Internet nicht tatenlos hinnehmen will. "Auch psychische Gewalt ist Gewalt und damit strafbar", sagte der zur Unterstützung herbei gezogene Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg.
Nach dem Motto "Vorbeugen ist besser als strafen" rufen die Gewerkschaften die Lehrer zur Offensive. Ein gutes Schulklima, das vertrauensvolle Gespräch zwischen Lehrer und Schüler und auch das Akzeptieren von sachlicher Schülerkritik über den eigenen Unterrichtsstil - dieses sei nach wie vor der beste Schutz vor solchen Auswüchsen im Internet. Demmer empfiehlt jeder einzelnen Schule, mit den Schülern schriftlich einen Verhaltenskodex zu vereinbaren. Dazu gehöre auch, dass Handys und Handy-Kameras während des Unterrichts ausgeschaltet und Absprachen, dass das Internet nicht für Mobbing oder Gewaltdarstellungen genutzt werden darf. Verstößt ein Schüler gegen die Abmachung, wird das Handy einkassiert und den Eltern übergeben.
Internet-Mobbing könne heute jeden Bürger treffen - nicht nur die Lehrer, geben GEW und GdP zu bedenken. Sie wünschten sich klarere gesetzliche Vorgaben. Gleichwohl wissen die Gewerkschafter, dass die Grenzen zwischen beißender Kritik und persönlicher Beleidigung oft fließend sind und sich bei der Bewertung der Strafbarkeit eine Grauzone auftut. Und die "Täter" beim Lehrer-Mobbing seien meist Schüler bis Klasse zehn - also mitten in der Pubertät.
Demmer empfiehlt den Betroffenen, keine Nachsicht zu zeigen - wohl aber "pädagogisch professionell" zu reagieren. Das heißt, erst zur Rede stellen, erklären, immer wieder erklären - und vor allem Folgerungen verhindern. Auch Freiberg rät vor der Strafanzeige zunächst zum Dialog. Denn ist die Anzeige erst einmal gestellt, sei nicht mehr der Lehrer, sondern Polizei und Staatsanwalt Herr des Verfahrens.
Betroffene dürften vor allem nicht in der "Opferrolle verharren und die Kränkung in sich hineinfressen", sondern müssten das "Heft des Handels in der Hand behalten". Demmer: "Selbstmitleid schadet nur. Gefragt ist jetzt das Gespräch mit Kollegen - und gemeinsames Vorgehen im Kollegium."
Von Karl-Heinz Reith, dpa
Quelle: ntv.de