Dossier

Wahlen im Iran Die Schwierigkeit des Neubeginns

Moderne oder Tradition - Mussawi oder Ahmadinedschad? Die Iraner wählen ihren Präsidenten und entscheiden damit über den weiteren Kurs ihres Landes. Von der künftigen Führungsriege hängt ab, ob sich die Lage im Nahen Osten entspannt oder weiter verschärft.

Die iranischen Frauen erhoffen sich unter Mussawi mehr Rechte.

Die iranischen Frauen erhoffen sich unter Mussawi mehr Rechte.

(Foto: Reuters)

Die Krise schwelt unvermindert weiter, sie könnte sich in den kommenden Jahren zum gefährlichsten Brandherd der internationalen Diplomatie ausweiten. Es geht also um viel, wenn die Iraner ihren Präsidenten wählen. Der Gewinner wird das Dialogangebot von US-Präsident Barack Obama zur Lösung des Atomstreits annehmen können - oder aber eine handfeste Konfrontation zwischen der Islamischen Republik und dem Westen riskieren. So ungewiss die Aussichten für eine Lösung derzeit sind: Beobachter in Washington und Teheran sind sich einig, dass die Wahl im Iran die seltene Chance für einen beiderseitigen Neubeginn bietet.

Auch Mussawis Ehefrau, Zahra Rahnaward (links), mischte sich in den Wahlkampf ein.

Auch Mussawis Ehefrau, Zahra Rahnaward (links), mischte sich in den Wahlkampf ein.

(Foto: REUTERS)

In Abkehr von der seit 30 Jahren gepflegten Politik der Sprachlosigkeit wirbt US-Präsident Barack Obama für einen Dialog mit dem Iran. Doch zu einem Dialog gehören immer zwei Seiten, Irans Führung um den Hardliner-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und den geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei hat die diplomatischen Avancen aus Washington bislang abgeschmettert. Teherans künftiger Kurs wird also auch darüber entscheiden, ob Obamas neue Iran-Politik schon nach kurzer Zeit als Fehlschlag verbucht werden muss. Im schlimmsten Fall fürchten die USA einen atomaren Rüstungswettlauf im Nahen Osten.

Hoffnungen halten sich in Grenzen

46 Mio. Wahlberechtigte entscheiden, ob der international umstrittene Präsident Ahmadinejad für weitere vier Jahre im Amt bleibt.

46 Mio. Wahlberechtigte entscheiden, ob der international umstrittene Präsident Ahmadinejad für weitere vier Jahre im Amt bleibt.

(Foto: REUTERS)

Der Teheraner Politik-Experte Maschaallah Schamsolwaesin sieht die iranische Führung nach Obamas Initiative unter Handlungsdruck: "Irans Außenpolitik wird sich nach der Wahl um die Frage drehen, wie auf Obamas Angebot zu reagieren ist und wie die Atomgespräche mit den Weltmächten geführt werden." Anders als sein Vorgänger George W. Bush genießt Obama bei den Iranern Glaubwürdigkeit - und Glaubwürdigkeit bedeutet in der Diplomatie Verhandlungsmacht. "Die iranische Führung geht davon aus, dass Obama im Atomstreit die Welt notfalls gegen den Iran in Stellung bringen könnte", sagt Schamsolwaesin. "Sie wird ihre Probleme mit Washington noch während Obamas Amtszeit lösen wollen."

Die US-Seite erwartet mit Spannung, wer in Teheran die Erwiderung auf Obamas Dialogangebot formulieren wird. Der streitlustige Amtsinhaber Ahmadinedschad ist nicht Washingtons Favorit. "Alle von Ahmadinedschads Gegnern sind deutlich offener als er für eine Verhandlungslösung im Atomstreit", sagt Suzanne Maloney vom Brookings Institute in Washington. Die Iran-Expertin warnt allerdings vor allzu großen Hoffnungen. Selbst Ahmadinedschads Gegenkandidat Mir-Hossein Mussawi, auf dem die Hoffnungen des Reformlagers ruhen, habe keinen Stopp des Atomprogramms in Aussicht stellen können.

Uran-Anreicherung als Selbstbehauptungsakt

Vor allem Frauen und junge Menschen hoffen auf Mussawi, der Modernisierung und Lockerung der jahrhundertealten Regeln verspricht.

Vor allem Frauen und junge Menschen hoffen auf Mussawi, der Modernisierung und Lockerung der jahrhundertealten Regeln verspricht.

(Foto: REUTERS)

Denn was die delikate Atomfrage angeht, steht dem nächsten iranischen Präsidenten ein innenpolitischer Balanceakt bevor. Reformer wie Hardliner im Iran überhöhen die Anreicherung von Uran als Akt nationaler Selbstbehauptung. Der Westen aber will einen Griff der Mullahs nach der Atomwaffe unter keinen Umständen dulden. Auch Obama hat eine militärische Lösung nicht ausgeschlossen, die atomare Aufrüstung des Iran will er ohne Wenn und Aber vermeiden. Israel bringt sich ebenfalls in Stellung, selbst Irans arabische Nachbarn betrachten den atomar untermauerten Machtanspruch Teherans mit großer Sorge.

In den USA wie im Iran herrscht zumindest die Hoffnung, dass der verbale Kanonendonner der letzten Jahre nach der Wahl einer klassischen Gesprächsdiplomatie weichen wird, die das wechselseitige Misstrauen langsam abbaut. Sajed Mohammed Marandi, Direktor für Nordamerika-Studien an der Universität Teheran, formuliert eine mögliche Kompromisslinie: Der Iran darf friedlich Uran anreichern, verzichtet aber nachprüfbar auf den Bau einer Bombe. "Wenn Obama die iranische Urananreicherung anerkennt, wird Iran ihm aber die gewünschten Garantien geben", sagt Marandi. "Wenn die US-Seite aber weiter auf Härte setzt, wird der Iran das auch tun."

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich und Jay Deshmukh, AFP

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