Klimaschutzstreit mit Berlin EU sucht Kompromiss
05.02.2007, 16:59 UhrEindeutig wie selten fiel das Urteil des Klimarats der Vereinten Nationen (UN) aus: Die Menschen sind schuld am beispiellosen Klimawandel, die Folgen wie Dürren oder Flutkatastrophen unabwendbar. Nur durch harte Einschnitte beim Treibhausgasausstoß könne die Erderwärmung noch begrenzt werden. Wie meist beim Klimaschutz will die Europäische Union mit gutem Beispiel vorangehen. Am Mittwoch stellt die EU-Kommission eine Strategie vor, wie der Ausstoß gefährlichen Kohlendioxids (C02) von Autos begrenzt werden kann. Doch längst geht es dabei um mehr als nur Klimaschutz. Gefragt ist eine gehörige Portion Diplomatie, um den eskalierenden Streit im Kommissars-Kollegium, in der Bundesregierung, aber vor allem zwischen Brüssel und Berlin zu beenden.
Zwar wird um Details noch immer gerungen, wie am Montag aus der Kommission verlautete. Dennoch zeichne sich ab, dass der Entwurf des Umweltkommissars Stavros Dimas unter dem Druck des deutschen Industriekommissars Günter Verheugen - und vor allem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)- verwässert werde. So verhärtet waren zuletzt die Fronten, dass Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso das Thema zur Chefsache gemacht hatte. Vom ursprünglichen Ziel des Umweltkommissars, dabei die Hersteller per Gesetz zur bislang freiwillig angepeilten Obergrenze von durchschnittlichen 120 Gramm pro Kilometer bei Neuwagen zu verpflichten, sei die Behörde abgerückt, hieß es weiter.
Den gesetzlichen 120-Gramm-Zielwert werde es zwar geben. Doch der von Verheugen geforderte "integrierte Ansatz" werde definitiv eine Rolle spielen. Der SPD-Politiker fordert, nicht nur die Autohersteller in die Pflicht zu nehmen. Auch spritsparende Reifen, Verkehrsleitsysteme, Biokraftstoffe oder umweltschonendes Fahrverhalten sollen zum Erreichen der Obergrenze beitragen.
Wie Barrosos Kompromiss am Ende auch aussehen mag: Das Papier ist eine Reaktion auf die gescheiterte Selbstverpflichtung der Autoindustrie, bis 2008 die C02-Emissionen bei Neuwagen auf durchschnittliche 140 Gramm pro Kilometer zu senken. Derzeit liegt der "Flottendurchschnitt" bei rund 160 Gramm. Teil der Abmachung zwischen dem Verband Europäischer Automobilhersteller (ACEA) und der EU-Kommission im Jahr 1998 sei gewesen, dass bei einem Scheitern ein Gesetz komme, betonte die Sprecherin von Dimas.
Die Ankündigung der Kommission Anfang dieses Jahres, auf das erwartete Scheitern zu reagieren, fiel ausgerechnet auf den Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands - des größten Autobauer-Landes Europas. Entsprechend heftig fielen die Reaktionen nicht nur des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sondern auch der Bundesregierung aus. "Wir werden verhindern, dass es eine generelle Reduktion gibt", kündigte Merkel an. Noch deutlicher wurde Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU): Dimas' Pläne seien "unannehmbar". Die bei Mittel- und Oberklasse-Pkw führende deutsche Autoindustrie dürfe nicht über Gebühr belastet werden.
"Nicht klug" seien die Äußerungen Merkels, heißt es in Brüssel. Denn ohnehin beinhalte das Strategiepapier noch keine Details wie die Frage, ob es eine Segmentierung nach Fahrzeugklassen geben solle. Dies wird erst in einem späteren Gesetzesvorschlag der Fall sein, der dann auch von den Regierungen und dem Europaparlament verabschiedet werden muss. Die Grünen im Europaparlament sprechen gar von einer "Geisterfahrt" von Industrie und Bundesregierung. Merkel mache sich zur "blinden Anwältin kurzsichtiger nationaler Konzerninteressen", kritisierte die energiepolitische Sprecherin Rebecca Harms.
(von Dorothe Junkers, dpa)
Quelle: ntv.de