Dossier

Verfassungsentwurf vor Sieg Ecuador rückt nach links

Was in Bolivien fast einen Bürgerkrieg auslöste, läuft in Ecuador mit erstaunlicher Friedlichkeit ab: die Ausarbeitung und Annahme einer neuen Verfassung mit sozialistischem Vorzeichen. Nach letzten Umfragen kann der linksgerichtete Präsident Rafael Correa mit etwa 55 Prozent Ja-Stimmen und einem sicheren Sieg bei dem Referendum über den Entwurf mit 444 Artikeln rechnen. Zwar liefen ähnlich wie in Bolivien auch in dem nördlichen Andenstaat konservative und wohlhabendere Kreise Sturm gegen den Linksruck und die Abkehr von neoliberalen Rezepten.

Aber Correas Partei Alianza Pais hatte in der verfassunggebenden Versammlung immer eine Mehrheit und konnte sich auch im Wahlkampf trotz massiven Sperrfeuers der von großen Wirtschaftsunternehmen kontrollierten Medien behaupten. "Das Volk wird ihnen (der Opposition) eine demokratische Lehre erteilen und ihnen an den Urnen einen Denkzettel verpassen, den sie nie vergessen werden, ein Votum für das Ja, das die Gegner für immer beerdigt", sagte der nie um große Worte verlegene Correa.

Wahlkampfversprechen bald eingelöst

Sein wichtigstes Wahlkampfversprechen war eine neue Verfassung, die die Grundlagen für einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" legen sollte. Sozialistisch ist die neue Verfassung nicht, aber sie soll nach Worten von Correa zumindest eine gerechtere und demokratischere Gesellschaft ermöglichen. Das sieht auch den Einsatz erheblicher Steuermittel für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Indios vor. Bei 40 Prozent Armut und extremen Einkommens- und Bildungsunterschieden zwischen Armen und Reichen ist schon das an sich ein fast utopisches Vorhaben. Außerdem soll das Eigentumsrecht mit mehr sozialen Pflichten verknüpft und der Landbesitz gerechter verteilt werden.

Das Verfassungsprojekt sieht ein kostenloses Gesundheitssystem mit Zwangsversicherung vor, kostenlose Bildung und eine direktere Form der Demokratie durch Bürgerbeteiligung. So sollen alle gewählten Amtsinhaber durch Volksbegehren absetzbar sein. Wer genügend Unterschriften zusammenbekommt, kann dem Einkammer-Parlament, das in Zukunft Nationalversammlung heißen soll, Gesetzesinitiativen vorschreiben. Wird die neue Verfassung angenommen, übernimmt ein Interimsparlament aus Vertretern der Verfassunggebenden Versammlung bis zu allgemeinen Neuwahlen Anfang kommenden Jahres die Arbeit.

Gott erhält Plätzchen in Verfassung

Während die traditionellen Parteien immer mehr an Einfluss verlieren, übte vor allem die katholische Kirche scharfe Kritik an dem Verfassungsentwurf. Dass künftig auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Familien eingestuft werden, sei nicht hinnehmbar, weil sie ja nicht auf Nachwuchs ausgerichtet seien. Dass Gott in der Präambel zunächst nicht erwähnt wurde, war da aus Sicht der Kirche nur folgerichtig. Gott wurde dann zum Schluss doch noch schnell aufgenommen, und zugleich wurden neben dem Spanischen auch die Indio-Sprachen Kichwa und Shuar zu Landessprachen erhoben. Auch die traditionelle Rechtsprechung der Indio-Gemeinden soll künftig vom Staat respektiert werden.

Für die wohlhabenderen Bevölkerungskreise ist das Vorhaben ähnlich wie in Bolivien ein rotes Tuch. Die Argumente gleichen sich. Die vor allem in der Küstenstadt Guayaquil angesiedelten Widersacher Correas sprechen von einer Kopie der "Chvez-Diktatur" in Venezuela. Ausländische Investoren würden verschreckt und wirtschaftlicher Erfolg "bestraft". Zudem wolle Correa nur seine Macht zementieren.

Die Aufnahme des Indio-Begriffs "Sumak Kawsay", was frei übersetzt etwa "Gutes Leben" bedeutet und mit einer harmonischeren Beziehung zwischen Mensch und Umwelt als Gegenbegriff zu Wirtschaftswachstum zu tun hat, ist für die Opposition der letzte Beweis für die Absurdität des gesamten politischen Projekts von Correa. "Jetzt wollen sie uns per Dekret nicht nur zu Kommunisten machen, sondern auch noch zu Hippies", schimpfte etwa ein konservatives Medium.

Jan-Uwe Ronneburger, dpa

Quelle: ntv.de

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