Syrien und der Hariri-Mord "Ermittlungen werden geblockt"
03.03.2009, 14:32 UhrIn Den Haag soll ein Tribunal endlich die Hintergründe des Hariri-Mordes im Libanon aufklären. Der ehemalige deutsche Ermittler Mehlis räumt dem wenig Chancen ein.
Mehr als vier Jahre nach der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri hat am 1. März das Sondertribunal zur Aufklärung des Verbrechens seine Arbeit in Den Haag aufgenommen. Das Tribunal soll die Hintergründe des Mordes ans Tageslicht bringen, der den politischen Umsturz im Libanon mitsamt dem Rückzug der langjährigen syrischen Besatzertruppen zur Folge hatte. Dass es dazu kommt, wird allerdings immer unwahrscheinlicher: Das Mandat für das Tribunal ist auf mindestens drei Jahre angesetzt – ob es zum Prozess kommt ist völlig offen und es gibt nicht einmal mögliche Angeklagte.
"Als ich die Sache 2006 abgegeben habe, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass drei Jahre später die Ermittlungen immer noch nicht abgeschlossen sind", sagt Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis, der 2005 als erster Ermittler im Auftrag der UN den Mord im Libanon untersuchte. "Warum es so lange dauert, erschließt sich mir nicht. Wenn ich spekuliere komme ich zu dem Ergebnis: Die Ermittlungen werden irgendwo blockiert", erklärt Mehlis gegenüber n-tv.de.
Der Staatsanwalt verfolgt die Ermittlungen mit regem Interesse, aber wachsendem Pessimismus. Schließlich hatte er nach eigenen Angaben 2006 die Ermittlungen bereits zu zwei Dritteln abgeschlossen, hatte Verdächtige inhaftiert und Mitschuldige für den Mord auf der höchsten politischen Ebene Syriens ausgemacht. Was für erheblichen politischen Unmut sorgte, vor allem in dem libanesischen Nachbarland. Aber Mehlis, ein Freund klarer Worte, überwand den syrischen Widerstand, indem er die Sache vor dem UN-Sicherheitsrat öffentlich machte. Der Druck auf Syrien stieg und dank des deutschen Ermittlers und seiner beiden UN-Berichte wuchs im Libanon die Hoffnung, dass die Schuldigen tatsächlich gefasst werden könnten.
Hoffnung schwindet mit der Zeit
Drei Jahre später sind von den ehemals sieben Inhaftierten im Libanon nur noch vier in Haft – ob sie jemals vor dem UN-Tribunal in Den Haag erscheinen werden geschweige denn, dass ihnen der Prozess gemacht wird, ist mehr als fraglich. 60 Tage hat das Tribunal Zeit, Akten anzufordern und einen Antrag auf Auslieferung der Verdächtigen zu stellen. Genug Beweise für einen Prozess sind damit aber noch nicht garantiert.
Der ehemalige Ermittler Mehlis hofft zwar noch auf einen Erfolg des Tribunals, doch wie er selbst sagt: "Mit jedem Tag wird die Beweislage schwieriger." Das Erinnerungsvermögen von Zeugen wird immer schlechter und bereits 2005 waren nach Mehlis' Angaben Tatort und Beweismittel manipuliert worden. Wie soll man da vier Jahre später noch auf einen Erfolg hoffen?
Kein Ende in Sicht
"Wenn man die Berichte liest und die Ermittlungen in den Medien verfolgt, bekommt man den Eindruck, dass es im Sande verläuft", sagt Mehlis. Der Oberstaatsanwalt kann nicht verstehen, dass der jetzige Ermittlungsleiter nicht einmal eine Einschätzung geben kann, wann die Ermittlungen im Mordfall Hariri abgeschlossen sein werden. Schließlich handele es sich nur um einen einzelnen Mordfall, da gebe es im Gegensatz zu Völkermordprozessen wie in Jugoslawien nur eine bestimmte Menge an Beweisen und Spuren. "Da sollte es vorhersehbar sein, wann alle Ermittlungsstränge abgeschlossen sind."
An einen schnellen Erfolg des Tribunals glaubt Mehlis nicht. "Es sei denn, das Ergebnis ist, dass die Ermittlungen eingestellt werden." Das würde das Scheitern aller Ermittlungen bedeuten, was der deutsche Ermittler nicht nur aus persönlichen Gründen vermeiden will. "Das würde im Libanon zu einer großen Enttäuschung über die UN und die internationale Gemeinschaft führen", ist sich Mehlis sicher.
Quelle: ntv.de