Dossier

"Stil der offenen Türen" Erster Arbeitstag in Hessen

Knapp eine Stunde hielt Roland Koch den Tonfall eines präsidialen, allen Seiten im Landtag verpflichteten geschäftsführenden Ministerpräsidenten durch. Doch dann griff der hessische CDU-Regierungschef den politischen Gegner wieder direkt an. Das Lächeln von SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt über seine Finanzpläne passte Koch nicht: "Wir sind, das sieht man dem Gesicht des Kollegen Schmitt noch nicht so an, eine Schicksalsgemeinschaft."

Der lichte, moderne Landtagsneubau in Wiesbaden erlebte am ersten regulären Arbeitstag der neuen Volksvertreter das gewohnte laute Türenknallen zwischen den politischen Lagern. Dabei hatten alle Seiten angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse in Hessen eine neue Streitkultur, verbale Abrüstung und eine gemeinsame Kompromisssuche gelobt. Koch versprach dem Landtag sogar einen "Stil der offenen Türen". Doch weit trägt die Einigkeit nicht, die beiden großen Parteien verfolgen unvereinbare politische Projekte.

Mit Handschlag begrüßt

Koch tritt zwar moderater auf, seit neuem begrüßt er im Landtag alle Fraktionsvorsitzenden mit Handschlag, am Mittwoch nahm er selbst den Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen nicht aus. Doch Kochs Regierungserklärung machte deutlich: Er will auch geschäftsführend möglichst viel CDU-Substanz in der Politik erhalten. Der Geldsäckel wird gegenüber den linken Parteien möglichst geschlossen gehalten. Irgendwann soll die Hängepartie in einer Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen enden oder in einer Neuwahl, bei der Schwarz-Gelb nach jüngsten Umfragen besser dastünde als im Januar.

SPD-Chefin Andrea Ypsilanti verfolgt dagegen weiter ihr Projekt, Koch mit einer linken Mehrheit im Landtag vor sich her zu treiben und irgendwann abzulösen. Der frühere SPD-Regierungschef Holger Börner habe geschäftsführend zwar keine Mehrheit im Landtag gehabt, "aber er hatte auch keine gegen sich", belehrte Ypsilanti Koch. "Sie werden hier keine Heimspiele mehr haben", kündigte sie an und zeigte dem Regierungschef schon die Folterwerkzeuge. SPD, Grüne und Linke, die "verehrten Damen und Herren von der linken Front in diesem Haus" (FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn), brachten ein Gesetz auf den Weg, die von der CDU eingeführten Studiengebühren zu kippen.

Wenig fraktionsübergreifende Aktionen

Von der angekündigten Suche nach fraktionsübergreifenden Kompromissen in Sachfragen ist im Landtag noch wenig zu spüren, auch wenn eine Grünen-Abgeordnete meint, man wundere sich, mit wem man sich auf einmal bespreche oder essen gehe. Großes Erstaunen löste ein Frühstück des CDU-Schulpolitikers und Rechtsauslegers Hans-Jürgen Irmer mit seinem grünen Gegenüber Mathias Wagner aus. Doch von der SPD gibt es keine erkennbaren Gesprächsfäden zur CDU, und auch zwischen Sozialdemokraten und Liberalen wirkt der Graben fest zementiert.

Den Grünen kommt trotz ihrer Stimmenverluste vom 27. Januar im hessischen Landtag eine Schlüsselrolle zu. Ihr Vorsitzender Tarek Al- Wazir traut den Avancen Kochs nicht: "Nur neue Worte machen noch keine neue Politik". Doch erfreut stellte Al-Wazir fest, dass die Grünen bei allen Abstimmungen mit ihren Inhalten zu den Siegern gehören könnten. Beim zweiten Debattenthema am Mittwoch, den Nachbesserungen an der verkürzten Gymnasialzeit G8, zeichnete sich nämlich eine Annäherung von CDU, FDP und Grünen ab. SPD und Linke, die G8 ablehnen und ansonsten auf Gesamtschulen setzen, standen isoliert da.

Von Friedemann Kohler, dpa

Quelle: ntv.de

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