Protest in der Ferne Exil-Tibeter in Berlin
19.03.2008, 12:56 UhrAuf Tenzin Duduls Rücken scheint die Sonne der tibetischen Flagge, während er vor der chinesischen Botschaft in Berlin lautstark die Freiheit seiner Heimat einfordert. Der 39-jährige Mönch brüllt "China raus" und "Stoppt das Töten" - doch seine Rufe prallen von der Glasfront der riesigen Botschaft ab. Dudul kommt aus dem Namgyal Kloster im nordindischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung und des Dalai Lama. Eigentlich ist er in Deutschland, um Spenden für das Medienarchiv des Dalai Lama zu sammeln. Nun steht er auf der Berliner Jannowitzbrücke vor der Botschaft, singt und betet mit 150 anderen Demonstranten für ein freies Tibet.
Vor gut einer Woche waren in Tibet Proteste zum 49. Jahrestag der Flucht des Dalai Lama eskaliert. Nach exiltibetischen Angaben kamen in Lhasa und an anderen Orten in Tibet und angrenzenden Provinzen bislang mehr als 140 Menschen ums Leben, darunter Dutzende durch Schüsse der chinesischen Einsatzkräfte.
"China go home"
Dudul trägt eine schwarze Wollmütze, wie einige andere Demonstranten hat er sich die tibetische Flagge um die Schultern gelegt. Es weht ein eisiger Wind. "China go home" und "Wir wollen Freiheit" rufen die Demonstranten. Die Fenster der Botschaft bleiben geschlossen. Niemand nimmt merklich Notiz von den Forderungen der Tibeter. Schon den Anblick der tibetischen Flagge empfindet man in China als Provokation, steht sie doch für die Unabhängigkeitsbestrebungen Tibets.
Tenzin Dudul ist einer von 30 bis 40 Tibetern, die in Berlin und Potsdam wohnen, etwa 300 Tibeter sind es bundesweit. Er selbst lebte nie in Tibet, seine Eltern flohen 1959 nach Indien, kurz nach der chinesischen Okkupation. "Mein Vater wurde von den Chinesen gefoltert", sagt Dudul. "Die Chinesen wollen, dass alle sich wie Chinesen verhalten, sie bringen Millionen Menschen um und sie zerstören die tibetische Kultur."
Auch Tsewang Norbu lebt im Exil - in Berlin. Seit 35 Jahren ist er schon in Deutschland. Die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte der heute 58-Jährige in Tibet. Im Jahr der chinesischen Okkupation flüchtete er mit seiner Familie nach Ladakh - auch bekannt als "Klein Tibet" - in Nordindien. 13 Jahre lebte er in Indien, bevor ein Studienstipendium ihn 1973 nach Bonn führte. "Die chinesische Politik nötigt mich dazu, dass ich mich heute auch noch als Tibeter fühle, das Schicksal der Tibeter ist einfach ständig präsent", sagt Norbu vom "Verein der Tibeter in Deutschland".
Als Spion verdächtigt
Derzeit treffen sich die in Berlin lebenden Tibeter vor allem bei Mahnwachen vor der chinesischen Botschaft. Im Normalfall sehen sie sich aber einmal im Monat, um Informationen über ihr Heimatland auszutauschen und um miteinander in ihrer Heimatsprache zu reden. "Zuhause reden nur die Wenigsten tibetisch, denn bis auf zwei Ehen unter Tibetern sind alle anderen Mischehen", weiß Norbu.
Aus dem Exil wieder nach Tibet zurückzukehren ist allerdings schwierig: "Wer einmal in einem anderen Land gelebt hat, wird sofort verdächtigt ein Spion zu sein", sagt Norbu. Und er fügt mit Blick auf den Dalai Lama, der immer wieder zum Gewaltverzicht aufruft, hinzu: "Solange der jetzige Dalai Lama lebt, wird es keine vernünftige chinesische Politik geben - wenn er stirbt, wird es noch schlimmer werden, denn dann haben die Tibeter keine Angst mehr, Gewalt auszuüben."
Von Sabrina Wendling, dpa
Quelle: ntv.de