Dossier

Neuanfang in Friedland Flucht aus dem Irak

Sie haben immer noch Angst: "Bitte schreiben Sie unsere Namen nicht auf." Der Drucker Faruk G. aus dem umkämpften Stadtteil Dora in Bagdad im Irak und seine Frau Nur haben Schreckliches durchgemacht: Nun sitzen sie mit ihren Söhnen Wissam und Jusuf auf einer Bank im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen in der Sonne. Die Familie gehört zu der ersten Gruppe von 2500 Irak-Flüchtlingen, die Deutschland in den nächsten Monaten aufnehmen will.

"Islamisten hatten mich und meinen ältesten Sohn im November 2006 entführt. Sie wollten Geld, nur weil wir Christen sind, aber wir hatten längst alles auf dem Schwarzmarkt ausgegeben, um nicht zu verhungern. Sie haben uns solange geschlagen, bis eine Tante von uns, die im Libanon lebt, nach einigen Tagen 50.000 Dollar schickte, um uns freizukaufen", berichtet der Familienvater.

Signal zum Aufbruch


"Wir waren wieder zusammen und wir wussten, jetzt ging es um Leben oder Tod. Ich drängte, hatte Angst um die Kinder. Wir mussten weg", sagt seine Frau. "Unser Haus lag mitten im Kampfgebiet. Am Morgen des ersten Weihnachtstages 2006 krachten vor unserer Haustür wieder Schüsse. Granaten schlugen ein. Rivalisierende schiitische und sunnitische Milizen lieferten sich in unserem Viertel ein heftiges Gefecht." Das sei das Signal zum Aufbruch gewesen.

"Als es etwas ruhiger wurde, kurz vor der Ausgangssperre früh am Morgen, holte uns ein Verwandter in ein ruhigeres Stadtviertel. Wir gingen ohne Gepäck." Am Tag darauf habe sie ein Taxifahrer, der alle Militärsperren umfuhr, auf Schleichwegen über die offene syrische Grenze nach Damaskus gebracht. "Dort waren schon Hunderttausende von Flüchtlingen aus dem Irak. Ich habe zwölf Stunden in einer mehrere hundert Meter langen Schlange gestanden, um uns registrieren zu lassen."

"Im März sickerte zuerst als Gerücht durch, dass Europa Flüchtlinge aufnimmt. Unser Wunschland war Deutschland, weil wir in Oldenburg einen entfernten Verwandten haben", erzählt Faruk G. " Im März kam tatsächlich ein Anruf. Die Deutsche Botschaft teilte uns mit, dass wir reisen durften. Drei Tage später saßen wir im Flugzeug nach Hannover."

Flüchtlinge auf Bundesländer verteilt


Die meisten der im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen Mitte März eingetroffenen 119 Irak-Flüchtlinge haben das Lager bereits wieder verlassen. Sie wurden auf die Bundesländer verteilt, sagt Lagerleiter Heinrich Hörnschemeyer. Die Flüchtlinge, die von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen aufgenommen werden, bleiben jedoch zu einem Integrations- und Sprachkurs in Friedland.

Auch die Familie bleibt für drei Monate im Lager. Die Eltern machen dem Integrationskurs. Die Kinder gehen mit Schülern aus anderen Flüchtlings- oder Aussiedlerfamilien aus Russland und Israel zur Schule, bevor sie nach Oldenburg gehen. "Wir werden uns in Oldenburg um die Familie kümmern", versichert der Nahostreferent der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido. "Unsere Menschenrechtsorganisation ist bei Sprach- oder anderen Problemen jederzeit Ansprechpartner. Wir haben uns schon seit 2003 für die Aufnahme der bedrohten irakischen Christen eingesetzt." Nach Sidos Informationen soll schon im April die nächste Gruppe aus dem Irak nach Friedland kommen.

Werner H.T. Fuhrmann, dpa

Quelle: ntv.de

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