Dossier

Reizthema Kopftuch Frau Gül provoziert

Ein Kopftuch versetzt die Türkei in Aufregung: Hayrünnisa Gül will sich nicht von den bunten Seidentüchern trennen, die ihren Kopf in der Öffentlichkeit stets bedecken. Für die säkularen und laizistischen Kräfte der Türkei ist eine First Lady mit Kopftuch eine Schreckensvorstellung.

Schließlich hat auch der säkulare Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, der das Land modernisierte und religiöse Kleidung aus der Öffentlichkeit verbannte, einmal im Präsidentenpalast residiert. Das Tragen eines Kopftuchs in Behörden und Schulen ist in der Türkei seither verboten.

Kopftuchfreie Zonen

"Das ist ihre persönliche Vorliebe", bemüht sich Abdullah Gül zu beschwichtigen. Schließlich gehe es nicht um seine Frau, sondern um den Präsidenten. Aber mit einem Amtsantritt Güls wird die Kopftuchdebatte erst richtig ausbrechen. Schon am Donnerstag steht die Probe aufs Exempel bevor: Der neugewählte Präsident wird zu einer wichtigen Militärzeremonie erwartet, bei der Kopftücher nicht erlaubt sind. Die Streitkräfte, die sich als Verteidiger des laizistischen Erbe Atatürks sehen, haben bereits klar gemacht, dass sie auch für den Präsidenten keine Ausnahme machen wollen.

Vor "Zentren des Bösen", die versuchten, das säkulare System anzugreifen, warnte ein General noch am Montag. Die Streitkräfte seien notfalls auch bereit, die soziale, demokratische und säkulare Türkei zu schützen, hieß es in der Erklärung.

Das Recht auf Kopfbedeckung

Hayrünnisa Gül trägt die "Hijab" als religiöses Zeichen schon seit Kindeszeiten. Heute ist das Kopftuch für die 42-Jährige eine Frage der Entscheidungsfreiheit. Als ihr 1998 wegen ihrer Kopfbedeckung die Einschreibung an der Universität Ankara verwehrt wurde, klagte sie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das Kopftuchverbot. Sie zog die Klage allerdings kurz darauf zurück mit der Begründung, dass sie nicht den Staat verklagen wolle, dessen Außenminister ihr Ehemann sei. "Aber ich glaube nach wie vor an die Richtigkeit meines Anliegens", sagte sie damals.

Ihr Kopftuch trägt sie, wie auch die Frau des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, eng gebunden, wie es auch in arabischen Ländern üblich ist. Der Hals ist dabei völlig verdeckt und eine Art Mütze hält unter dem Seidentuch alle Haare zusammen.

Heirat mit 15 Jahren

Hayrünnisa Gül traf ihren künftigen Ehemann 1979 auf der Hochzeit eines gemeinsamen Cousins. Sie war gerade einmal 15 Jahre alt, als sie heirateten. Beide kommen aus Kayseri, einer Stadt im traditionell konservativen Zentralanatolien. Hayrünnisa verließ die Schule und zog drei Kinder groß, später holte sie dann ihren Schulabschluss nach.

Aufruhr um Präsidentschaftskandidaten Gül

Abdullah Gül gilt als gläubiger, aber politisch moderater Muslim. Zuletzt versicherte er, dass er zu den Werten einer säkularen und nach Europa orientierten Türkei stehe. Als Gül aber im April dieses Jahres von der religiös-konservativen AKP für das Amt des Staatspräsidenten vorgeschlagen wurde, erhob sich ein Sturm der Entrüstung: Hunderttausende gingen auf die Straße. In der drohenden Staatskrise meldeten sich erneut die Generäle zu Wort und drohten indirekt mit einem Militärputsch.

Der Ausweg waren schließlich die Neuwahlen, aus denen die AKP als Siegerin hervorging. Daraufhin entschloss sich Gül, sich erneut dem Votum des Parlaments zu stellen.

Quelle: ntv.de

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