Nahostkonflikt Geheimpapier veröffentlicht
22.11.2007, 11:31 Uhr"Für Nir" steht handschriftlich auf Hebräisch über dem Manuskript einer gemeinsamen Erklärung, an der Israelis und Palästinenser seit Monaten verhandeln. Per Fax wurde das bestgehütete Geheimpapier am Mittwochabend um 18:27 Uhr der Journalistin Amira Hass vom "Haaretz" zugespielt. Sie verfügt über gute Beziehungen zu den Palästinensern. Die sehr unterschiedlichen Positionen sind mit einem "I" für Israel oder "P" für Palästinenser gekennzeichnet. Das Papier entstand im Jerusalemer King David Hotel und trägt das Datum 17. November.
Nicht mal auf den Titel des gemeinsamen Papiers konnten sich die Parteien einigen. P nennt es ein "Dokument". I eine "Erklärung".
Dieses Papier Israels und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO)" soll in Annapolis "unter der Schirmherrschaft von Präsident George W. Bush und der Unterstützung von ..." verlesen werden. Hier ist ein Wort unkenntlich gemacht worden. Der freie Platz würde genau für "Saudi Arabia" reichen.
Schon beim ersten Paragraphen gibt es wilde Streichungen. Es beginnt mit der Übereinkunft, dass Frieden nur zustande kommt durch "historische Versöhnung und Lösung aller ausstehenden Themen mit friedlichen Mitteln mitsamt der Verwirklichung der legitimen nationalen Bestrebungen und Selbstbestimmung..." In fehlerhaftem Englisch hat da jemand am linken Rand handschriftlich eingefügt: "für jedes Volk in seinem eigenen Territorium". Am rechten Rand wird vorgeschlagen: "Israel als Heimatland für das jüdische Volk und Palästina als Heimatland für das palästinensische Volk". Im Originalstext ist nach den Streichungen, offenbar der palästinensischen Unterhändler, nur übrig geblieben: "entsprechend der Vision von zwei Völkern, Israel und Palästina, Seite an Seite in Frieden und Sicherheit." Ohne Einwand steht im nächsten Abschnitt, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt des "unabhängigen, demokratischen, souveränen" Staates Palästina werde.
Beide wollen eine "effektive Grundlage" für eine "Friedenskultur" schaffen. Damit sollen "Hetze, Extremismus und Gewalt" beendet werden. Die Palästinenser haben erkennbar das Wort "Terrorismus" gestrichen, und wollen auch nichts von der "gesicherten Freilassung des (von der Hamas entführten) Soldaten Gilad Schalit" wissen. Der Israeli fügte handschriftlich, mit Schreibfehler, "Terorismus" (sic) ein und die gestrichene Passage über den Entführten.
Beim Paragraphen über die künftigen Verhandlungen will I keine Fristen, während P sie innerhalb von acht Monaten beenden will, "spätestens bis zum Ende der Amtszeit von Präsident Bush". P will eine lange Liste von UNO-Resolutionen und Friedensinitiativen als Grundlage. Darunter ist auch die Resolution 194, eine "Empfehlung" der Generalversammlung, aus der die Palästinenser das "Rückkehrrecht der Flüchtlinge" herauslesen, geflissentlich aber auslassen, dass Jerusalem weder Israel noch dem arabischen Staat gehören darf, sondern dem UNO-Sicherheitsrat unterstellt werden soll. I begnügt sich mit den "bisher erreichten Abkommen". "SE", wohl der "Special Envoy" Tony Blair, schlägt vor, die Formel der Roadmap zu übernehmen, der Wegekarte des Nahostquartetts (USA, EU, UNO, Russland).
P besteht darauf, die Rolle der arabischen und muslimischen (!) Staaten hervorzuheben, was I handschriftlich mit "Streichen" kommentiert. Ein großer handschriftlicher Stern des Widerspruchs markiert die Forderung von P, "ab Unterzeichnung dieser Deklaration", keinerlei Änderungen am Status von Ost-Jerusalem vorzunehmen. Keinen Einwand scheint I gegen die Feststellung zu haben, dass mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags "alle" palästinensischen Gefangenen freigelassen werden, also auch Massenmörder. Bei I ist hier nur die Rede von "tiefer Dankbarkeit für die Bemühungen von Präsident Bush" und dem Wunsch, dessen Vision von "zwei Staaten für zwei Völker" zu verwirklichen.
In der letzten Zeile notiert I: "Eine offene Frage für Beratungen – wie sollte in diesem Dokument die Lage in Gaza behandelt werden?"
Israel verhandelt nur mit der PLO unter der Führung von Präsident Mahmud Abbas. Ein Friedensvertrag müsste jedoch auch für den Gazastreifen gelten. Aber dort hat die Hamas vor einigen Monaten geputscht. Abbas kann dort zurzeit nichts durchzusetzen.
Bedeutsam ist, was in dem Dokument nicht vorkommt, so die von Israel geforderte "Zerstörung der Infrastruktur des Terrors". Unerwähnt bleiben palästinensische Forderungen nach einem Abriss von Straßensperren, der Mauer und der illegalen Siedlungen sowie einem Baustopp in den Siedlungen. Es fehlt auch jeder Hinweis auf eine Öffnung der Grenzübergänge zum Gazastreifen, um die Lebensbedingungen der dort unter der Hamas lebenden Palästinenser zu erleichtern.
Quelle: ntv.de