Milliardengeschäft mit Gegnern Gentechnik auf dem Acker
24.01.2008, 10:23 UhrKaum ein Thema wird so emotional diskutiert wie der Anbau von Genpflanzen. Während sich die Hersteller Milliardengeschäfte erhoffen, stehen in Deutschland große Teile der Bevölkerung der Gentechnik in der Landwirtschaft nach wie vor skeptisch bis ablehnend gegenüber. Dennoch findet sich auf deutschen Äckern bereits eine ganze Reihe gentechnisch veränderter Pflanzen - von Erbsen über Sojabohnen bis zum Winterweizen. Sie alle dürfen allerdings bislang nur auf sehr kleinen Flächen zu Forschungszwecken angebaut werden. Nach den Untersuchungen werden sie vernichtet.
Einzige Ausnahme ist bisher der Genmais MON810 des US-Konzerns Monsanto, der bereits seit einigen Jahren die Zulassung der Europäischen Union (EU) für den kommerziellen Anbau hat. Im vergangenen Jahr wuchs in Deutschland auf einer Fläche von 2685 Hektar Monsanto-Genmais - das entspricht etwa 3650 Fußballfeldern oder 0,15 Prozent der mit Mais bepflanzten Fläche. Für dieses Jahr haben Landwirte bereits eine Fläche von rund 2800 Hektar für Genmais angemeldet. An diesem Freitag entscheidet der Bundestag über das neue Gentechnikgesetz, im Februar der Bundesrat. "Der Anbau wird nicht abgewürgt", sagt Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder.
Industrie wartet auf Genkartoffel
Mit der BASF-Genkartoffel Amflora könnte in diesem Jahr eine zweite Pflanze in den regulären Anbau kommen. Der Ludwigshafener Konzern wartet allerdings noch auf die endgültige Zulassung der EU-Kommission. Spätestens bis April erhofft sich das Unternehmen eine positive Entscheidung. "Danach wäre es für einen Anbau noch in diesem Jahr zu spät", sagt die Sprecherin der BASF-Tochter Plant Science, Susanne Benner. Kommt die Zulassung rechtzeitig, soll Amflora laut Benner auf einigen hundert Hektar angebaut werden. Als mögliche Standorte nennt sie Deutschland, Schweden und Tschechien.
Amflora wurde gentechnisch so verändert, dass die Kartoffel besser für die Produktion von Stärke geeignet sein soll. Auf den Tellern der Verbraucher soll sie nicht landen. Die Überreste will BASF auch zur Tierfütterung nutzen. Das neue Gentechnik-Gesetz sieht BASF sehr skeptisch. "Wir sind davon ausgegangen, dass die Regierungskoalition Erleichterungen hinsichtlich der Entwicklung und Nutzung von Gentechnik bringt", sagt Benner. Nun sei aber eher das Gegenteil der Fall. Auch Monsanto hält das Gesetz für zu restriktiv. Dagegen warnen Umweltverbände vor Risiken.
MON810 unter Beobachtung
Die Produzenten der Genpflanzen müssen sich an mehreren Fronten bewähren - gegenüber der EU und den Mitgliedsstaaten. Die Staaten setzen die Vorgaben aus Brüssel nicht einheitlich um. Frankreich, Österreich und andere Länder haben den Anbau des Maises MON810 trotz EU-Zulassung gestoppt, weil ihnen die Risiken zu groß erscheinen. In Deutschland darf MON810, der ein Gift gegen den Schädling Maiszünsler enthält, nur unter verschärfter Beobachtung angebaut werden.
Wichtigstes Anbaugebiet für Genmais in Deutschland war 2007 Brandenburg. Der Schwerpunkt liegt bislang in Ostdeutschland. Den großen Agrargenossenschaften dort fällt es nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit leichter, die künftigen Vorgaben umzusetzen, etwa den Mindestabstand des Maises zu gentechnikfreien Feldern.
Monsanto-Sprecher Thierfelder will noch keine Prognose wagen, wie sich die Anbaufläche in Deutschland 2008 entwickeln wird. Die Gentechnik-Expertin von Greenpeace, Ulrike Brendel, sagt: "Wir gehen davon aus, dass die Anbaufläche weiter zunimmt." Neben dem Osten zeichne sich für dieses Jahr Bayern als weiterer möglicher Schwerpunkt ab. "Das neue Gentechnik-Gesetz kann offenbar den Anbau in Gebieten mit kleinteiliger Landwirtschaft nicht unterbinden", kritisiert Brendel. Dabei sei dort die Gefahr einer Vermischung von Genmais mit gentechnikfreien Pflanzen noch höher.
Von Marc Strehler, dpa
Quelle: ntv.de