Fall Kampusch Geschäftspartner berichtet
30.08.2006, 14:50 UhrDer ehemaligen Geschäftspartner des Entführers Wolfgang Prikopil, Ernst Holzapfel, hat die acht Jahre lang vermisste Natascha Kampusch vor wenigen Wochen gesehen. Auf einer Pressekonferenz in Wien sagte Holzapfel am Mittwoch nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA unter anderem:
"Ich habe Herrn Priklopil während meiner Lehrzeit bei Siemens in den 80er Jahren kennen gelernt. Danach hatten wird ab und zu Kontakt. In den 90er Jahren war er Mitarbeiter in meiner Firma und unterstützte mich beim Um- und Ausbau von Immobilien.
Ich dachte immer, wenn man mit einem Menschen jahrelang gut zusammenarbeite, dass man ihn auch gut kennt. Umso mehr bin ich nun über die Ereignisse schockiert. Ich habe die ganze Zeit nichts davon bemerkt. Herr Priklopil hat sich mir gegenüber wie immer verhalten. So etwas Entsetzliches habe ich nicht für möglich gehalten. Ich bin fassungslos über diese entsetzliche Tat. Ich hätte ihn nie für einen Entführer gehalten.
Ich lernte Herrn Priklopil als zuverlässigen, genauen und korrekten Mitarbeiter schätzen. Er war stets freundlich und hilfsbereit. Ich würde seine Persönlichkeit so beschreiben: Er wollte nie im Vordergrund stehen und hat sich nicht aufgedrängt. Er war sehr sparsam, aber nicht geizig. Er legte viel Wert auf Qualität. Er wollte lieber weniger besitzen, aber was er besaß, sollte von sehr guter Qualität sein.
Obwohl wir uns lange kannten und viel zusammengearbeitet haben, haben wir kaum etwas privat gemeinsam unternommen. Ich habe z.B. auch nie eine Freundin von Herrn Priklopil kennen gelernt. Natürlich haben wir über seine Familie und seine Mutter gesprochen und auch über sonstige belanglose Kleinigkeiten, wie es eben unter guten Kollegen üblich ist.
Um Herrn Priklopil zu halten und auch seine Motivation zu steigern, habe ich ihn 1994 an der Resan BaugesmbH als Minderheitsgesellschafter beteiligt. Die intensive Zusammenarbeit hat sich etwas gelockert, nachdem ein größeres Immobilienprojekt 1997 abgeschlossen war." ...
... "In den letzten Jahren war ich ab und zu auch in seinem Haus in Strasshof, um Maschinen und Geräte entweder abzuholen oder zu bringen. Bei dieser Gelegenheit war ich auch einmal in der Garage und habe die Montagegrube von oben gesehen. Da Herr Priklopil häufig an seinen Autos arbeitete, war dies nichts Ungewöhnliches für mich.
Gearbeitet habe ich in seinem Haus nur einmal: Ende der 90er Jahre habe ich mit ihm an seinem Dach zwei Tage lang Spenglerarbeiten durchgeführt. Auch dabei ist mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen."...
..."Mitte Juli rief mich Herr Priklopil an, dass er sich gerne meinen Kfz-Anhänger ausborgen würde. Ich sagte ihm, das sei kein Problem und dass der Anhänger vor der Veranstaltungshalle steht. Er kam nach einer Stunde und wurde dabei von einer jungen Frau begleitet. Sie stand mit Herrn Priklopil vor der Hallentür. Beide warteten, dass ich aus der Halle herauskam. Als ich die Tür öffnete, stellte er mir die junge Frau als Bekannte vor und nannte dabei keinen Namen. Ich gab ihr die Hand - sie sagte ein höfliches "Grüß Gott". Sie machte einen fröhlichen, glücklichen Eindruck. Ich war sehr überrascht und konnte nicht einordnen, ob das seine Freundin war oder doch nur eine Bekannte. Leider hatte ich sehr wenig Zeit und verabschiedete mich kurz danach. Ich wusste natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das Natascha Kampusch war. Erst bei den Befragungen durch die Polizei wurde mir ein Foto von ihr gezeigt, auf dem ich die junge Frau wiedererkannte.
Über das jetzige Aussehen werde ich -weder jetzt noch in Zukunft -aus Rücksicht auf Frau Kampusch etwas sagen. Nachfragen diesbezüglich sind zwecklos.
Ich möchte nun etwas über letzten Mittwoch sagen:
Ich habe an diesem Vormittag mit Herrn Priklopil über die fertig gestellte Wohnung in Wien 15 wegen der Vermietung telefoniert.
Am Nachmittag rief er mich mit folgenden Worten wieder an: "Ich bin im Donauzentrum bei der alten Post. Bitte hol mich ab. Es ist ein Notfall. Bitte komm sofort." Er hat sehr aufgeregt gewirkt und ich habe daher nicht mehr weiter nachgefragt sondern bin auf dem schnellsten Weg zum Donauzentrum gefahren. Als ich ankam, stieg er sofort ein und sagte, ich solle die Wagramer Straße stadteinwärts fahren. Er sagte: "Bitte fahr, reden wir später". Wir fuhren also über die Wagramer Straße, über den Praterstern in die Dresdner Straße in Wien 20. Dort fanden wir einen Parkplatz. Dann bat er mich, mein Handy abzuschalten, damit wir ungestört reden können.
Er erzählte mir, dass er soeben in angetrunkenem Zustand einer Polizeikontrolle davongerast wäre. Er war sehr aufgeregt und sagte einige Male: "Die nehmen mir den Führerschein weg. Ohne Auto ist es schlimm. Ich kann dann auch meine Mutter nicht mehr besuchen". Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. Ich wusste, dass Autos und damit der Führerschein sein "Heiligtum" sind. Da ich ihn schon lange kannte, hatte ich keinen Zweifel an dieser Begründung. Er war aber sehr aufgeregt, was ich bei ihm noch nicht in der Form erlebt habe. Da er normalerweise keinen Alkohol trinkt, nahm ich an, dass dies eine Folge des Trinkens war. Ich versuchte ihn zu beruhigen, indem wir vorwiegend über berufliche Dinge redeten."...
..."Ich versuchte ihn zu überzeugen, dass er sich stellen muss und dass er dann wahrscheinlich den Führerschein nur für einige Monate verlieren wird. Er versprach es und stieg in der Dresdner Straße aus. Da ich ihn als korrekten Menschen kannte, hatte ich keinen Zweifel, dass er dies auch tun würde.
Ich fuhr dann in die Veranstaltungshalle. Dort führte ich einige Arbeiten durch und hatte später noch ein Kundengespräch. Um ca. 22.00 verließ ich die Halle und wurde von der Polizei vor der Halle auf dem Weg zu meinem Auto angesprochen. Erst in der Befragung habe ich über diese schreckliche Tat erfahren, worüber ich fassungslos war und was ich mir gar nicht vorstellen konnte. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass Herr Priklopil zu so etwas fähig ist.
Auf der Polizeistation musste ich dann auch noch Herrn Priklopil auf dem Foto nach dem Selbstmord identifizieren. Es war schrecklich für mich."...
..."Ich wünsche Frau Kampusch alles, alles Gute und dass sie ihren eigenen Weg im Leben geht.
Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich jetzt keine Fragen beantworten kann. Danke."
Quelle: ntv.de