Dossier

n-tv.de Interview "Glos wollte Würde bewahren"

Mit seinem überraschenden Rücktritt wollte Michael Glos "nicht schleichend zu Ende gehen, sondern seine Würde bewahren", erklärt Florian Hartleb im Interview mit n-tv.de. "Es macht sich Unmut in den Kreisen der altgedienten Parteileute breit", meint der Parteienforscher und CSU-Experte. Der erneute Personalwechsel bringe die CSU und die Union insgesamt in Bedrängnis, der Trend, dass Wähler verstärkt zur FDP abwandern, werde sich bei der Bundestagswahl fortsetzen.

n-tv.de: Hat Bundeswirtschaftsminister Michael Glos die CSU mit seinem Rücktritt in die Krise gestürzt?

Florian Hartleb: Die Krise der CSU hält unvermindert an, die Partei ist nach dem Debakel bei der Landtagswahl in Bayern noch immer nicht in ruhiges Fahrwasser gelangt. Trotz des personellen Neuanfangs kann die CSU noch immer leicht in Turbulenzen geraten. Die eigentlichen Herausforderungen beginnen erst. Der Rücktritt zeigt auch, dass in der CSU einige Kreise über den neuen Anspruch des Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Horst Seehofer verärgert sind.

Trotz des starken Auftretens von Seehofer ist die Partei unzufrieden mit ihm?

Es macht sich Unmut in den Kreisen der altgedienten Parteileute breit, die jetzt Opfer der radikalen Verjüngung durch Seehofer geworden sind. Das hat sich bei der Kabinettsumbildung in Bayern sehr deutlich gezeigt, bei der altgediente Leute wie Thomas Goppel und Christa Stevens weichen mussten. Und das hätte sich jetzt auch bei der Aufstellung zur Bundestagswahl 2009 gezeigt, wo jemand wie Michael Glos auf jeden Fall hätte weichen müssen.

Aber bedeutet der Wechsel zu Guttenberg dann nicht, dass Seehofer mit seiner Verjüngungsstrategie letztlich erfolgreich ist?

Nein, denn es war nicht das Ergebnis einer politischen Strategie. Es war eine Notlösung. Die Strategie Seehofers wäre gewesen, einen erfolgreichen mittelständischen Unternehmer wie Schatzmeister Thomas Bauer zu positionieren. Glos kam ihm aber durch seinen völlig überraschenden Rücktritt via Boulevardzeitung zuvor.

Wollte Glos mit seinem Rücktritt Seehofer bewusst schaden?

Glos wollte nicht schleichend zu Ende gehen, sondern seine Würde bewahren und das Heft des Handelns in der Hand behalten. Er hatte mitbekommen, dass in der CSU nicht mehr auf ihn gesetzt wird. Da wollte er sich als altes Flaggschiff der Politik nicht vom Ministerpräsidenten düpieren lassen und als Minister gelten, der seine Zeit nur noch absitzt. Da hat er einen für Seehofer ungünstigen Zeitpunkt während der Münchner Sicherheitskonferenz gewählt und seine Entscheidung zudem in der Presse bekanntgegeben.

Was bedeutet Guttenbergs Weggang als Generalsekretär aus Bayern für die CSU?

Die CSU verliert mit Guttenberg die weltmännische Aura in ihrem Parteiapparat. Zudem hatte sich Guttenberg in der kurzen Zeit seit der Landtagswahl gut eingefügt und die Partei steht inmitten der Vorbereitung auf die für sie so wichtigen Europa- und Bundestagswahlen. Da ist sein Weggang fatal.

Berichten zufolge soll Guttenberg seinen Wechsel nach Berlin an Bedingungen geknüpft haben. Es heißt, dass er nach der Bundestagswahl Peter Ramsauer als Landesgruppenchef ablösen will.

Guttenberg wird sich sicher abgesichert haben, falls er nach der Wahl nicht erneut Minister werden wird. Ganz bestimmt hat er sich für den Fall den Posten des Landesgruppenchefs zusichern lassen. Sonst wäre das ganze aus seiner Sicht ein Harakiri-Kommando. Zumal CSU-Chef Seehofer Ramsauer bereits zurechtgestutzt hat und er zum zweiten Mal einen Ministerposten abgelehnt hat.

Muss die CSU fürchten, dass die Wähler ihr die Querelen um den Rücktritt von Glos an der Wahlurne übelnehmen?

Die CSU war immer die Partei der Kontinuität, nun ist sie die Partei der Personalwechsel. Für die Wähler ist es ungewohnt, dass das Personal so schnell nach einer Wahl ausgetauscht wird. Sie haben ein komplett neues Personal, was sie bei der Landtagswahl überhaupt nicht gewählt haben. Das muss man sich noch einmal in Erinnerung rufen. Nun werden innerhalb kürzester Zeit wieder Köpfe ausgetauscht, und das ausgerechnet vor existenziellen Wahlen.

Zudem verhält sich die CSU wie eine Regionalpartei, bei der es nicht um Kompetenzen, sondern nur um die Herkunft geht. Es geht ihr nicht um Regierungspolitik, sondern um Parteipolitik. Für Seehofer wird als Messlatte das CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl entscheidend sein.

Seehofer hat seit seinem Amtsantritt als CSU-Chef stets seinen bundespolitischen Anspruch betont. Ist seine Position innerhalb der Großen Koalition nun beschädigt?

Die CSU steht jetzt schwächer da, weil sie zu Beginn der heißen Wahlkampfphase einen Minister austauscht. Überhaupt hat die CSU mit Seehofers Wechsel nach Bayern nun den einzigen Ministerrücktritt der Koalition zu verantworten. Die Partei hat ihre beiden Minister in der Regierung ausgetauscht. Dabei ist der Wirtschaftsminister eigentlich ein entscheidender Posten, zumal in der Wirtschaftskrise, wie wir sie jetzt haben.

Wird die SPD von dieser Schwäche profitieren können?

Die SPD kann profitieren, wenn ihr Finanzminister Peer Steinbrück weiter glaubwürdig Wirtschaftskompetenz vermittelt. Denn die Wirtschaftskompetenz wird der entscheidende Aspekt für die Bundestagswahl sein. Da kann die Union große Probleme bekommen. Denn es wird sich sicher auch der Trend der Landtagswahlen in Bayern und Hessen fortsetzen, dass Unionswähler verstärkt zur FDP abwandern.

Mit Florian Hartleb sprach Till Schwarze

Quelle: ntv.de

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