Flötentöne im Landtag "Große Koalition" in München
17.02.2006, 13:46 UhrDie große Koalition in Berlin feiert auch im Bayerischen Landtag Erfolge. Beflügelt vom Regierungsbündnis in der Hauptstadt haben CSU und SPD im Münchner Maximilianeum die Höflichkeit neu entdeckt. In der Landespolitik wird zwar weiter hart diskutiert, der Ton der Auseinandersetzungen ist aber wesentlich umgänglicher geworden. Nur die Grünen sind von der neuen Freundlichkeit ausgeschlossen.
Vor der Bundestagswahl verliefen die Debatten im bayrischen Landtag häufig ausgesprochen rustikal. "Sie müssen Ihren Holzweg einmal dahin überprüfen, ob er nicht erheblich morsch geworden ist", pflaumte Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) die Opposition noch im vergangenen Sommer an. Diese wiederum griff auch gern zum rhetorischen Knüppel: "Sie müssen uns nicht für blöder halten, als Sie selber sind", sagte etwa der SPD-Abgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann zu seinen CSU-Kollegen bei einer Debatte über die Bildungspolitik.
Neuerdings werden Meinungsverschiedenheiten eher nach dem Prinzip "Knigge" ausgetragen: "Liebe Frau Kollegin, ich darf widersprechen", flötete etwa der für seinen Charme bekannte Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU) im Kommunalausschuss. Und er ist keineswegs eine Ausnahme. "Ich freue mich sehr, dass Sie so einen moderaten Ton pflegen", lobte Reiner Volkmann (SPD) seine CSU-Kollegen bei einer Debatte über die Ausländerpolitik. "Ich bin in vielen Punkten mit Ihnen einer Meinung", sagte CSU-Fraktionsvize Markus Sackmann erst am Donnerstag zur SPD.
Das wäre früher fast undenkbar gewesen. "Unsere Umgangsformen waren immer schon vorbildlich", scherzt CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann. Er benennt eine klare Ursache für den neuen Stil: "In Berlin arbeitet eine neue Bundesregierung, die gute Arbeit macht und einen guten Start hatte." Die alte Bundesregierung habe immer "viel Anlass zur Kritik" gegeben.
Aus SPD-Sicht stellt sich das naturgemäß etwas anders dar: "Der wichtigste Unterschied ist, dass die CSU ihr Feindbild verloren hat", sagt SPD-Fraktionschef Franz Maget. "Das alte Feindbild war: Der Popanz Rot-Grün ist an allem schuld. Jetzt müssen wir einige unangenehme Dinge gemeinsam vertreten."
Nur die Grünen sind nicht auf Harmoniekurs: "Uns gegenüber kann man klar sagen, dass sich nichts geändert hat", sagt ihr Fraktionsvorsitzender Sepp Dürr. "Das liegt natürlich auch an uns. Wir können im Gegensatz zur SPD klarer opponieren."
CSU und SPD wollen die Auseinandersetzung jedoch nicht gänzlich einstellen. Schließlich sind beide Parteien auf Landesebene weiter Konkurrenten. "Da gibt es immer noch genügend Arroganz der CSU", wirft Maget der Regierungspartei vor. Und sein CSU-Amtskollege Herrmann sagt: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die SPD besonders pfleglich mit uns umgeht." Dass die Landtagsabgeordneten künftig nur noch Samthandschuhe tragen, steht also nicht zu befürchten.
(von Carsten Hoefer, dpa)
Quelle: ntv.de