Freytag will nun von der Wirtschaft leben Hamburgs CDU in Turbulenzen
01.03.2010, 21:49 Uhr"Alles hat seine Zeit", sagt Hamburgs CDU-Parteichef und Finanzsenator Freytag vor 500 entsetzten Parteimitgliedern - und wirft seine politischen Ämter hin.

Hamburgs Erster Bürgermeister von Beust hat sogar noch ein paar hübsche Storys auf der Pfanne.
(Foto: dpa)
Für die Hamburger CDU kommt es ganz dick: Schlechte Umfragewerte, ein drohender Volksentscheid um die Schulpolitik, der Rücktritt von Bürgerschaftspräsident Berndt Röder wegen der Glatteis-Affäre - und nun auch noch der überraschende und vollständige Rückzug von Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag. Erst verteidigt der 51-Jährige am Montagabend noch vehement und leidenschaftlich die Politik des ersten schwarz-grünen Senats auf Landesebene, dann sagt er zum Entsetzen der rund 500 Parteimitglieder wie nebenbei, dass sie künftig ohne ihn auskommen müssen. Er tritt von allen Ämtern zurück.
Die beiden Jahre als Finanzsenator seien die härtesten seines Lebens gewesen. "Alles hat seine Zeit." Er wechsele jetzt in die Wirtschaft, denn man müsse sich seine Freiheit bewahren. "Zu viele Amtsträger leben auf Dauer von der Politik." Die Mitglieder wirken wie erstarrt. Sie wissen, dass Freytag wegen der Krise um die Milliardenverluste bei der HSH Nordbank mächtig unter Druck steht. Auch die Haushaltslage in Deutschlands zweitgrößter Stadt ist alles andere als rosig.
Rücktritt mit sofortiger Wirkung

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Schira (l) ist nun auch geschäftsführender Landesparteichef.
(Foto: dpa)
Weil Freytag, der bereits als Fraktionschef und Umweltsenator gedient hatte, sein Amt als Landesvorsitzender sogar mit sofortiger Wirkung hinwirft, zwingt er den Landesvorstand zu einer Unterbrechung der Mitgliederversammlung. Nach gut zehn Minuten steht fest: Fraktionschef Frank Schira soll die Aufgabe geschäftsführend übernehmen. "Wir haben harte Monate vor uns", schreibt er den Mitgliedern ins Stammbuch.
Beust erzählt ein paar Anekdoten
Geradezu geschäftsmäßig reagiert Bürgermeister Ole von Beust, der gewiss in Freytags Pläne eingeweiht war. Er dankt dem Weggefährten und lobt ihn, erzählt sogar ein paar alte Geschichten von ersten gemeinsamen Fahrten zu politischen Veranstaltungen im VW-Käfer. Dann steht auch schon der Nachfolger an der Spitze der mächtigen Finanzbehörde im Mittelpunkt seines Interesses. Der jetzige Wirtschaftsstaatsrat Carsten Frigge soll es richten, wenn Freytag am 17. März die Brücke verlässt. "Es darf kein Vakuum aufkommen", analysiert der Regierungschef.
... und schaut in den Abgrund
Einen kurzen Moment des Rückblicks erlaubt sich Beust dann doch noch: "Wir haben auf dem Höhepunkt der HSH-Nordbank-Krise in den Abgrund geschaut." Ganz wesentlich der Leistung Freytags sei es zu verdanken, dass Hamburg das Schlimmste verhindern konnte. Gleiches gelte für die Rettung der in Schwierigkeiten geratenen Reederei Hapag-Lloyd. Ein Scheitern hätte unabsehbare Folgen für die Wirtschaft der Hafenstadt nach sich gezogen, ist der Bürgermeister überzeugt.
Trübe Umfrageaussichten für CDU
Die jüngsten Umfragen zur Halbzeit des CDU/GAL-Senats fallen für die CDU trübe aus. Mit nur noch 31 Prozent liegt die Union gleichauf mit der SPD. Das Minus beträgt satte 11 Prozentpunkte.
Die GAL hingegen profitiert von dem Bündnis mit den Christdemokraten. Mit 16 Prozent schaffen sie zumindest auf dem Papier ein Plus von gut 6 Punkten. Möglicherweise rührt ein Teil des Gemurres an der CDU-Basis auch daher, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt als Verlierer der neuen politischen Konstellation fühlen, obwohl sich die GAL bei umstrittenen Großprojekten wie der Elbvertiefung und dem Kohlekraftwerk Moorburg nicht durchsetzen konnte.
Quelle: ntv.de, Sönke Möhl, dpa