Nichts gelernt seit 1997? "Höhere Deiche reichen nicht aus"
27.05.2010, 13:39 Uhr
Ein Feuerwehrmann macht nahe Neuzelle eine Pause beim Verstärken der Deiche.
(Foto: APN)
Nach dem Oder-Hochwasser von 1997 wollte Brandenburg tausende Hektar an Überflutungsflächen schaffen. Passiert ist fast nichts. Die Deiche sind zwar höher und stabiler. Auf die Dauer wird das jedoch nicht reichen, warnt der Landesgeschäftsführer des NABU in Brandenburg, Wolfgang Mädlow.
n-tv.de: Der Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes sagt, er habe "ein gutes Gefühl", die Deiche seien viel besser vorbereitet als bei der Jahrhundertflut von 1997. Im Übrigen seien 13 Jahre eine "lächerlich kurze Zeit", um alle Deiche zu sanieren. Hat er recht?
Wolfgang Mädlow: Viele Deiche an der Oder sind saniert worden, so dass sie sicherlich in besserem Zustand sind als 1997. Leider wurde versäumt, die Deiche zurückzuverlegen - also nicht einfach an der gleichen Stelle neu aufzubauen, sondern dem Fluss mehr Raum zu geben.

Hochwasserschutz in Frankfurt (Oder): "Nur wenn die Flüsse sich ausdehnen können und mehr Raum haben, kann man Hochwasserspitzen nachhaltig kappen."
(Foto: dpa)
Ist das flächendeckend versäumt worden? Vor 13 Jahren war ja sehr viel die Rede davon, dass Überflutungsflächen geschaffen werden sollen.
Nach dem Hochwasser von 1997 gab es das Oder-Programm, zu dem eine ganze Reihe von Hochwasserschutzmaßnahmen gehörten: darunter natürlich die Sanierung der Deiche, auch Infrastruktur-Maßnahmen, damit die Deiche im Notfall besser erreichbar sind. Aber zum Oder-Programm gehörte eben auch die Schaffung von neuen Überflutungsflächen, denn wir wissen: Nur wenn die Flüsse sich ausdehnen können und mehr Raum haben, kann man Hochwasserspitzen nachhaltig kappen. Es gab dann zwischenzeitlich eine Auflistung, wie viel Fläche man dafür bereithalten könnte, da ging es um 6000 Hektar auf der deutschen Seite der Oder. Davon ist fast nichts realisiert worden. Gerade im vergangene Jahr wurden 32 Hektar in der Neuzeller Niederung freigegeben, insgesamt sollen es etwas über 70 Hektar werden - fast nichts verglichen mit dem, was man als notwendig erkannt hat.
Woran liegt das? Wohnen da zu viele Menschen, die nicht umgesiedelt werden können?
Nein, man hat natürlich nie in Erwägung gezogen, Siedlungen als Überflutungsflächen auszuweisen. Da geht es allein um Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden. Eine Ausweisung als Überflutungsfläche würde bedeuten, dass man die Flächen auch weiter nutzen könnte, aber eine Anpassung der Nutzung vornehmen müsste. Ackernutzung ist in Überflutungsflächen nicht möglich. Daran hat man sich offensichtlich nicht rangewagt. Das ist sehr bedauerlich und ein schweres Versäumnis.
Warum ist Ackernutzung in Überflutungsflächen nicht möglich?
Weil sonst Schadstoffe in den Fluss ausgetragen werden. Beim Elbe-Hochwasser hat die Überflutung von Ackerflächen zu einem riesigen Fischsterben in der Havel geführt.
Der polnische Innenminister Jerzy Miller hat Bibern die Schuld an den Überschwemmungen in seinem Land gegeben. Auch auf der deutschen Seite der Oder wurden an einzelnen Deichabschnitten Schäden durch Biber entdeckt.
Wenn Biberbaue in Deichen entdeckt werden, dann werden sie beseitigt. Das ist auch völlig unstrittig. Wir treten sonst sehr für den Schutz des Bibers ein, aber da, wo Sicherheitsaspekte wichtig sind, wird es mit dem Biber schwierig. Nach meinem Kenntnisstand ist das allerdings kein großes und flächendeckendes Problem.
Sehen Sie eine Chance, dass die brandenburgische Landesregierung das Hochwasser zum Anlass nimmt, noch einmal über ihr Hochwasserkonzept nachzudenken?

Wolfgang Mädlow ist Landesgeschäftsführer des NABU in Brandenburg.
Ich hoffe es. Wir hatten jetzt im Abstand von 13 Jahren zwei "Jahrhunderthochwasser". Das ist natürlich auch eine Folge der Klimaverschiebung; es ist genau das, was die Klimaforscher prognostizieren: dass es künftig vor allem im Sommerhalbjahr weniger, aber sehr stark konzentrierte Niederschläge geben wird. Das ist genau die Wetterlage, die sowohl 1997 als auch jetzt zu Hochwasser geführt hat. Um dem zu begegnen reicht es nicht, Deiche höher und stabiler zu bauen. Im Gegenteil: Das Hochwasser von 1997 verlief in Deutschland vergleichsweise harmlos, weil die polnischen Deiche brachen. Wenn Polen seine Deiche auch saniert, drohen künftige Hochwasser eher schlimmer zu werden.
Allerdings scheint das aktuelle Hochwasser deutlich weniger schlimm zu werden.
Aus dem Vergleich zwischen 1997 und 2010 kann man sicherlich keinen Trend ablesen. Wenn es ein bisschen stärker geregnet hätte, hätte das auch ganz anders aussehen können.
Mit Wolfgang Mädlow sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de