Fariñas, der verlorene Sohn Hungern für ein besseres Kuba
17.03.2010, 15:09 Uhr
Guillermo Fariñas verweigert seit dem 24. Februar die Nahrungsaufnahme.
(Foto: picture alliance / dpa)
Fariñas ist seit Wochen im Hungerstreik, um die Freilassung von 26 kranken Oppositionellen zu erwirken. Seine Mutter lehnt seine Haltung ab und wacht trotzdem an seinem Bett.
Sein Wille ist ungebrochen. Der kubanische Regierungskritiker Guillermo Fariñas will seinen Hungerstreik fortsetzen - bis zum Ende. Das Ende wäre sein Tod oder die von ihm geforderte Freilassung von "26 kranken politischen Gefangenen". Für seine Mutter Alicia Hernandez ist es ein doppelter Albtraum: Sie sieht ihren Sohn siechen - und das für Ideale, die sie als Anhängerin Fidel Castros und der Revolution nicht teilen will.
"Ich billige diesen Hungerstreik nicht und teile nicht die Ideen meines Sohnes", sagt die 75-jährige Mulattin. Dennoch wacht sie Tag und Nacht bei ihm. Es ist ihr einziger Sohn. "Wir können ihn doch nicht aufgeben", sagte die ehemalige Krankenschwester, die schon die die Wunden der Kampfgefährten des legendären Ernesto "Che" Guevara im Revolutionskampf versorgte.
Kampf um eine "humanitäre Geste der Regierung"
Hernandez ringt mit sich. Die Parteizeitung "Granma" hat Fariñas unlängst vorgeworfen, er habe seine vormals revolutionsfreundliche Position gegen ein "antisoziales Verhalten" getauscht. So etwas nagt an Hernandez, die sagt, sie wolle "neutral" bleiben.
Ihr Sohn will nicht mehr "neutral" sein, er ist es schon seit langem nicht mehr. Die Führung in Havanna nennt den 48-Jährigen einen "Söldner" im Dienst des amerikanischen "Feindes". Seit 1995 war der Journalist bereits dreimal inhaftiert. Er wolle nur eine "humanitäre Geste der Regierung", die 26 kranke Oppositionelle frei lassen solle, sagt Fariñas. Damit der Hungertod des Dissidenten Orlando Zapata nicht "umsonst" gewesen sei. Zapata war vor drei Wochen im Alter von 42 Jahren in Folge eines Hungerstreiks in der Haft gestorben.
Mutter gegen die Haltung ihres Sohnes
Fariñas nimmt seit dem 24. Februar keine Nahrung mehr zu sich. Inzwischen wird er in einem Krankenhaus in Santa Clara intravenös ernährt. "Das bedeutet aber nicht, dass ich von meinen Hungerstreik ablasse", sagte der 48-jährige Psychologe. Jüngst hatte er einen zweiten hypoglykämischen Schock erlitten, infolge eines extrem niedrigen Blutzuckerspiegels. Das Provinzkrankenhaus Arnaldo Milián, 280 Kilometer östlich von Havanna, bezeichnet Fariñas' Zustand als "ernst, aber stabil". Er selbst sagte, außer "leichten Kopfschmerzen" gehe es ihm "gut".
"Ich werde bis zum Äußerten weitermachen, bis sich meine Forderungen erfüllen", kündigt Fariñas an. Seine Mutter hätte es lieber, er gäbe auf. Ihr Haus in Santa Clara, das sie sich mit ihrem Sohn, dessen Frau und dem achtjährigen Enkel teilt, wird videoüberwacht. Sie ist noch immer eine Revolutionärin. Im Dezember 1958 versorgte sie während der Schlacht von Santa Clara die Rebellen. Die Schlacht läutete den Niedergang des Regimes von Machthaber Fulgencio Batista ein. In der Stadt wurden die sterblichen Überreste des 1967 in Bolivien getöteten Guevara bestattet. Hier lebt sie, die 1961 in der Schweinebucht erneut den Rebellen half, täglich im Gedenken an die Revolution.
Zapatas Tod soll nicht vergebens sein
Es fällt ihr schwer, die Ziele ihres Sohnes und der Opposition zu teilen, die derzeit mit einer Gedenkwoche an den "Schwarzen Frühling", die Festnahme von 75 Regierungskritikern vor sieben Jahren, erinnert. Rund 40 sogenannte Damen in Weiß - Ehefrauen, Mütter und Schwestern von politischen Gefangenen - zogen in der kubanischen Hauptstadt vom Haus einer ihrer Mitglieder zu einer nahe gelegenen Kirche. Auf dem Weg blieben die Frauen nur ein Mal stehen, um "Viva Zapata!" ("Es lebe Zapata!") zu rufen.
Zapata hat sich für ein anderes Kuba zu Tode gehungert. Fariñas, der auch einmal ein Revolutionär war und für Kuba und den Kommunismus 1980 elf Monate lang in Angola kämpfte, will nicht, dass dieser Tod vergebens war. Mehr als 20 Hungerstreiks hat er bereits hinter sich, diesmal will er nicht aufgeben. Tod oder Erfüllung seiner Forderungen, sagt Fariñas. Die Regierung ihrerseits hat via "Granma" dazu lediglich wissen lassen, dass der 48-Jährige die alleinige Verantwortung für sein Tun trage.
Quelle: ntv.de, Rigoberto Díaz, AFP