Stadtumbau von unten Innovativ schrumpfen
10.08.2007, 12:44 UhrAnhaltende Abwanderung, schrumpfende Städte, immer mehr Wohnungsleerstand und Verödung: Der sogenannte demografische Wandel stellt viele deutsche Kommunen vor bislang nicht gekannte Herausforderungen, nicht nur im Osten. Mit einem bislang einmaligen Projekt versuchen Experten, Kommunalpolitiker und Bürger jetzt in Sachsen-Anhalt, Konzepte für zukunftsfähige und lebenswerte Städte zu entwickeln. Den Rahmen bildet die Internationale Bauausstellung 2010 Stadtumbau (IBA), eine Art Ideenschmiede, an der sich 17 Kommunen mit unterschiedlichen Initiativen beteiligen.
Initiative ergreifen
Beispiel Dessau-Roßlau: "Wir holen die Landschaft in die Stadt", erläutert Projektleiterin Heike Brückner vom Bauhaus, das auch andere IBA-Vorhaben begleitet. Bei einer Planungswerkstatt wurden urbane Kerne festgelegt, die gezielt weiterentwickelt werden. Es wurden aber auch Flächen definiert, die nach dem Abriss von Wohnungen oder Industrieruinen nicht mehr bebaut und in den kommenden Jahrzehnten zu einem grünen Band durch die Stadt werden sollen, anknüpfend an das zum UNESCO-Welterbe gehörende Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Anwohner können Abschnitte dieser Flächen nutzen und pflegen und haben bereits Steingärten oder ein "Energiepflanzenfeld" angelegt.
Beispiel Wittenberg, eine weitere IBA-Stadt: Hier taten sich Vereine, Forschungs- und Bildungsinstitutionen zusammen, um die Lutherstadt als Standort für den Bildungstourismus zu profilieren. Ein inzwischen fertiges Jugendgästehaus in der historischen Kulisse des Schlosses gehört ebenso zu den Projekten wie der Umbau einer alten Mädchenschule zu einem Seminarzentrum. Zielgruppe sind vor allem protestantische Christen aus aller Welt, die auf den Spuren des Reformators Luther wandeln. "Der IBA-Prozess bringt ein Stück Zukunft für unsere Städte. Er ist ein wichtiger Impuls, um neue Kreativität freizusetzen", sagt Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD).
Perspektiven aufzeigen
"Wir wollen in Sachsen-Anhalt beispielgebende Projekte für die Welt entwickeln", formuliert IBA-Geschäftsführer Rüdiger Schulz den Anspruch der Bauausstellung. "Dabei geht es nicht um Vorhaben mit millionenschweren Budgets, sondern vielmehr um Kreativität und die Nutzung lokaler Ressourcen, um sozial, kulturell oder städtebaulich unterschiedliche Städte neu zu profilieren." Ganz wichtig sei, dabei die Bewohner einzubeziehen.
So will sich Köthen zu einem Zentrum für Homöopathie entwickeln, Wanzleben zu einer besonders familienfreundlichen Stadt werden und Magdeburg näher an die Elbe rücken. "Von der IBA soll ein Zeichen ausgehen, dass wir Städte nicht nur abreißen, sondern ihnen auch eine Zukunft eröffnen wollen", sagt Sachsen-Anhalts Bauminister Karl-Heinz Daehre (CDU), dessen Ressort das Vorhaben finanziell unterstützt.
Die IBA wird bundesweit und im Ausland viel beachtet: "Sie hat internationale Vorbildfunktion", sagt die Wiener Architektin Silja Tillner, die dem IBA-Kuratorium angehört. "Es gibt derzeit keinen Ort, wo man sich so intensiv und vielschichtig mit den künftigen Herausforderungen der Städte beschäftigt wie in Sachsen-Anhalt." Der rege Austausch etwa mit Wien, Istanbul oder Rio de Janeiro zeige, dass solche Ansätze auch für weiter wachsende Metropolen in Frage kämen. Ähnlich sieht das Markus Grob, Professor an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und ebenfalls IBA-Kuratoriumsmitglied: "Die Impulse werden über 2010 hinaus international nachhaltig wirken. Die Probleme bestehen schließlich nicht nur in Deutschland."
Von Stefan Kruse, dpa
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Broschiert: 111 Seiten
Verlag: Müller und Busmann
Quelle: ntv.de