Draufgänger statt Friedensstifter? Israels Premier Ariel Scharon
15.08.2005, 12:04 UhrVon LARISSA VASSILIAN
Kaum jemand polarisiert so stark wie der 77-jährige Ariel Scharon. Für die einen ist er herzlos, hart und martialisch, für die anderen ein taktischer und strategischer Denker. Für manche ein Held, Geigenspieler und Schafszüchter, für andere schlichtweg ein Kriegsverbrecher.
Vor einem Jahr forderte Israels Ministerpräsident Ariel Scharon die französischen Juden auf, nach Israel auszuwandern und somit dem „entfesselten Antisemitismus“ in Europa zu entkommen. Seither herrschte eisiges Klima zwischen den Ländern. Nun war Scharon für drei Tage in Paris zu Gast – ein Zeichen der Entspannung. Bei seinem Besuch dann das endgültige Lob: Frankreich führe einen vorbildlichen Kampf gegen den Antisemitismus im Lande. Wenige Tage später dann ein Lob an Deutschland, das den Kampf gegen den Antisemitismus in Europa anführe. Noch vor wenigen Monaten hatte er allen Bewohnern des Kontinents „kollektiven Antisemitismus“ vorgeworfen.
Vorsichtige Diplomatie scheint eben nicht die Stärke Scharons zu sein. Gerne drucken Zeitungen Äußerungen von ihm wie diese hier: „Ohne die arabische Welt beleidigen zu wollen, muss man sagen, dass ihre Abkommen, Erklärungen und Reden nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind“. Der FAZ sagte er im März: „Deklarationen, Versprechen, selbst Verträge können bedeutungslos sein. In dieser Region zählt nur eines: Das sind Taten.“ Als Militär hat er gelernt, dass Gewalt das beste politische Mittel ist.
Ariel Scharon heißt eigentlich Scheinermann, und wurde vor 77 Jahren in Kfar Malal geboren – in der Scharonebene. Seine Mutter war Russin, sein Vater polnisch-deutscher Abstammung. Schon mit 14 Jahren ging Scharon zum Militär. Im Unabhängigkeitskrieg gründete er die Einheit 101. Er kommandierte dieses Spezialkommando, das für Vergeltungsmaßnahmen zuständig war und wenig Rücksicht auf Zivilisten nahm.
Im Süden war Scharon dafür zuständig, den palästinensischen Widerstand im Zaum zu halten. Eine kurze Militärpause nahm sich Scharon für die Universität Jerusalem, wo er Geschichte und Kultur des Nahen Ostens studierte. Nach dem Jom Kippur-Krieg 1973 schloss er sich der Likud-Regierung an, später gründete er die Partei „Frieden von Zion“, ging nach deren Misserfolg aber zurück zum Likud. Der Armeegeneral wurde Landwirtschaftsminister unter Menachem Begin, dann Verteidigungsminister.
Als 1982 christliche Milizen in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila ein Massaker an 1.000 palästinensischen Zivilisten verüben, bedeutete das das Ende von Scharons Karriere als Verteidigungsminister. Unterkriegen ließ er sich dennoch nicht. Er wurde Verkehrsminister und Minister für Wohnungsbau – und förderte unter Netanjahu massiv den Ausbau der jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten. 2001 wurde Scharon schließlich Außenminister, ein Jahr später war er Premierminister. 2003 wurde er wieder gewählt und begann mit der Errichtung eines 720 Kilometer langen Trennungszaunes zwischen Israelis und Palästinensern.
Schlagzeilen machte Scharon als er im Herbst 2000 den Tempelberg in Jerusalem besuchte, um gegen die Teilung der heiligen Stadt zu protestieren – eine Provokation, die die zweite Intifada auslöste. Scharon informiert nicht gerne über seine Strategien – lieber ist ihm, wenn man ihm vertraut, und ihn in Ruhe machen lässt.
Seine größte Stärke ist, so sagen es seine Bewunderer, gerade heraus seine Meinung zu sagen und sich für einen geradlinigen Kurs einzusetzen, auch wenn er damit auf Kritik stößt. Manche sehen das anders, sehen ihn durchaus unter Druck beeinflussbar und haben seine vielen Kehrtwendungen in der Vergangenheit nicht vergessen.
Quelle: ntv.de