Dossier

Fische stinken vom Kopf her Israels Steuerbehörde im Knast

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

"Die Polizei ist so korrupt, die sollte man am besten einsperren", brüllt ein Gemüsehändler in Jerusalem. "Die da oben ziehen doch nur das Geld aus unseren Taschen, um in Saus und Braus zu leben", überbietet sein Nachbar am Früchtestand den Ekel über die Führungsspitze. Die Zeitung "Jedijot Achronot" wird fleißig gelesen und dient noch nicht zum Einwickeln frischer Fische. "Ein Fisch stinkt immer vom Kopf her", belehrt der Marketender seine Kunden und zeigt belustigt mit dem Finger auf die Überschrift: "Die Steuerbehörde sitzt im Knast". Ohne den Untertitel gelesen zu haben, zitiert er, was da über einem Kommentar steht: "Sodom und Gomorra".

Am Dienstag wurde der jüngste Korruptionsskandal bekannt, als eine der engsten Vertrauten von Ministerpräsident Ehud Olmert, die "Beauftragte für Religiöse Angelegenheiten", Schula Saken, sowie zwei Chefs der Steuerbehörde, Jacky Matza und Eitan Rob, ein Bruder von Saken und andere Verdächtige vor Gericht geladen wurden. Die Polizei begann, ihre "Erkenntnisse" aus zehn Monaten geheimer Ermittlungen auszubreiten. 140 Polizeibeamte waren daran beteiligt. Den Verdächtigen wird angelastet, nahestehenden Geschäftsleuten zu prominenten Posten in der Steuerbehörde und zu Steuernachlässen verholfen zu haben. In einem Fall - so der Verdacht der Polizei - soll der Steuerbescheid für einen Geschäftsmann von sechs Millionen Schekel auf 250.000 Schekel reduziert worden sein. Olmerts Vertraute Saken, die dessen Anrufe filtert und mit fester Hand seit 1974 seine Büros leitete, sei monatelang von der Polizei abgehört worden.

Jizchak Samir, ein ehemaliger Staatsanwalt, meinte betroffen: "Es spielt keine Rolle, ob das, was die Leute auf der Straße sagen, den Tatsachen entspricht. Es zeigt, dass sie das Vertrauen in die Behörden verloren haben." Eine unbestechliche Steuerbehörde sei nicht nur der Arm der Regierung, der Gelder von den Bürgern einzieht. Es sei auch eine der Grundfesten des Rechtsstaates. Entsprechend scharf regieren auch die Medien auf den neuesten Korruptionsskandal. "Korruption und Bestechung in der Spitze der Steuerbehörde ist für den Bestand Israels gefährlicher als die Raketenangriffe der Hisbollah", meint Sever Plotzker, ein angesehener Wirtschaftsexperte.

Ein Aufklärungsjournalist, der seit Monaten ein besonderes Augenmerk auf den Premierminister gerichtet hat, warnt: "Olmert persönlich hat es immer verstanden, sich mit dem Großkapital zu verbünden. Die Millionäre finanzierten ihm seine Wahlkampagnen ins Bürgermeisteramt von Jerusalem bis hin zu seiner Wahl zum Ministerpräsidenten." Bis heute sei unklar, ob er den angeblichen "Schnäppchenkauf" einer Templer-Villa in der "Deutschen Kolonie" Jerusalems mit "Gefälligkeiten" zurückgezahlt habe. Doch diese Vorwürfe konnten - ebenso wie die gegen seinen Vorgänger Ariel Scharon - nie gerichtsfest nachgewiesen werden. Gleichwohl muss Omri Scharon, ein Sohn des im Koma liegenden ehemaligen Ministerpräsidenten, wegen unsauberer Geldgeschichte und mutmaßlicher Korruption eine Gefängnisstrafe absitzen. Bei dem jüngsten Korruptionsskandal wurde keinerlei Verdacht gegen Olmert erhoben, doch in seinem Büro herrsche "eine besorgte und niedergeschlagene Stimmung" wegen des Verdachts gegen seine engste Mitarbeiterin.

Nachdem die Polizei die Wohnungen von 22 Verdächtigen durchsucht hat, wurden 14 Verdächtige zum Gericht vorgeladen. Die meisten wurden für drei bis sechs Tage in Untersuchungshaft gesteckt. Schula Saken erhielt vorerst zehn Tage Hausarrest und darf zwei Wochen lang nicht ihr Büro im Ministerpräsidentenamt betreten. Das Telefon hat man ihr jedoch nicht gesperrt.

Bekannte der Verdächtigen und Kenner der Steuerbehörde betonen, dass es sich "nur um Verdacht" handelt und noch nicht um eine Anklageschrift oder gar ein Urteil. Ein Anwalt meinte: "Es ist normal, dass Geschäftsleute mit der Steuerbehörde verhandeln und ganz legal versuchen, weniger Steuern zu zahlen. Doch daraus gleich einen Korruptionsskandal zu machen, könnte eine Folge von mangelnder Kenntnis der Polizei sein." Dieser Anwalt gestand jedoch, noch nicht zu wissen, was die Polizei in der Hand hält und was seinen Mandanten angelastet wird.

Quelle: ntv.de

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