Alte Finanzaffäre Justizverfahren gegen Chirac
21.11.2007, 22:00 UhrDie französische Justiz hat gegen Ex-Präsident Jacques Chirac ein Verfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder eröffnet. Das bestätigte eine Sprecherin des Gerichts in Paris. Chirac wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Bürgermeister von Paris und Chef der Partei RPR Parteifunktionäre aus der Rathauskasse finanziert zu haben. "Es besteht der Verdacht, er könne die Taten begangen haben, die ihm vorgeworfen werden", sagte die Sprecherin. Sie betonte, es liege noch keine Anklage gegen ihn vor. Chirah habe jetzt aber Akteneinsicht erhalten und könne seine Verteidigung vorbereiten. Chirac konnte wegen seiner Immunität als Präsident bis Juni 2007 nicht juristisch belangt werden.
Gut eine Woche vor seinem 75. Geburtstag kommt es also doch noch zu dem Verfahren, mit dem viele Franzosen schon im Sommer gerechnet hatten. Manche behaupteten allerdings auch, Chiracs Amtsnachfolger Nicolas Sarkozy habe sich im Wahlkampf die - auffallend späte - Unterstützung von Chirac erkauft, indem er ihm Schutz vor den Nachstellungen der Justiz zugesichert habe.
Für Taten während seiner Amtszeit als Präsident wird Chirac sich nicht vor Gericht verantworten müssen. Dafür hat er selbst gesorgt. Chirac dachte dabei vermutlich an die sogenannte Clearstream-Affäre, bei der es um Schmiergeldzahlungen beim Verkauf von Fregatten ging. Was immer er für eine Rolle gespielt haben mag - vor Gericht wird Chirac sich dazu sicher nicht äußern.
Chirac verteidigte sich umgehend in einem ausführlichen Beitrag in der Zeitung "Le Monde". "Es wurden niemals Gelder der Stadt Paris für andere Zwecke verwendet als zum Nutzen der Pariser und Pariserinnen. Es gab keine persönliche Bereicherung", betonte er. Von insgesamt 4000 Angestellten der Stadt zählten lediglich 20 zu den umstrittenen Fällen. "Die Einstellungen geschahen auf meinen Wunsch, sie waren ebenso rechtmäßig wie notwendig", fügte er hinzu.
Die fraglichen Mitarbeiter hätten ihn in Grundsatzfragen beraten oder ihm erlaubt, seine zahlreichen Ämter besser unter einen Hut zu bekommen - natürlich immer zum Wohle der Stadt Paris und ihrer Einwohner. Einer der angeblichen Scheinverträge betrifft den Fahrer eines RPR-Senators, dessen Gehalt von der Stadt Paris bezahlt wurde. Er war dort als "Sonderbeauftragter im Kabinett des Bürgermeisters" angestellt. Chirac hatte den Vertrag 1990 unterzeichnet.
Im Hintergrund der Affäre steht die für Frankreich typische Ämterhäufung, wofür Chirac ein Paradebeispiel abgab. Zu besten Zeiten war er gleichzeitig Bürgermeister von Paris, Abgeordneter des Dpartements Corrze und Parteichef. "Die gemeinsame Ausübung dieser Ämter auf lokaler und nationaler Ebene hat mir erlaubt, mich noch effizienter für das Wohl der Pariserinnen und Pariser einzusetzen", meint Chirac. Die Ermittler werden sich in den kommenden Wochen nun genauer damit befassen, ob und inwiefern Chirac bei der Anstellung seiner Mitarbeiter Rechtsbruch begangen hat.
Von Ulrike Koltermann, dpa
Quelle: ntv.de