Dossier

Putin besucht Familie Bush Kalter Krieg in Harmonie

Auf einem Treffen mit Geschichtslehrern in der vergangenen Woche hat sich Russlands Präsident für seine USA- Reise an diesem Wochenende schon einmal warm gelaufen. Russland habe keine schlimmere Geschichte als andere Länder, sagte Wladimir Putin auf seinem Landsitz in Nowo-Ogarjowo bei Moskau. Sein Land habe nie Atom- oder Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt. Putin liebt solche Seitenhiebe - in diesem Fall gegen die Amerikaner wegen ihrer Angriffe auf Hiroschima, Nagasaki und Vietnam. Wenn Putin am 1. und 2. Juli den US-Präsidenten Georg W. Bush zu Hause trifft, wird mehr als Geschichtsunterricht von ihm erwartet.

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind auf einen Tiefpunkt seit Ende des Kalten Krieges gerutscht, auch wenn sie nach den Worten des stellvertretenden US-Außenministers Daniel Fried besser sind als die oft harschen Töne aus Moskau vermuten lassen.

Mit einer "großen Geste" will Bush jetzt die Atmosphäre reinigen und Putin jene Wertschätzung zeigen, die Russland sonst oft zu vermissen scheint: Erstmals in seiner mehr als sechsjährigen Amtszeit hat Bush einen ausländischen Gast auf die elterliche Sommerresidenz nach Kennebunkport im Bundesstaat Maine eingeladen.

Krawatten bleiben im Koffer

Hier, in dem 3700 Einwohner zählenden Ort an der Atlantikküste im Nordosten der USA, scheint die Welt mit sich noch in Harmonie. Das Anwesen im Landhausstil steht auf einer kleinen Landzunge. In der Familienidylle bleiben Krawatten im Koffer. Beim Abendessen mit Hummer und Schwertfisch will dann auch der Hausherr, der frühere Präsident George H.W. Bush, mit von der Partie sein.

Bushs Vater hat während seiner Präsidentschaft von 1989 bis 1993 hochkarätige Staatsgäste wie König Hussein von Jordanien oder den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin nach Kennebunkport eingeladen. Mit dem ehemaligen französischen Staatsoberhaupt Francois Mitterrand sprach Bush noch vor dem Fall der Mauer über die Möglichkeit der deutschen Wiedervereinigung. Aber keines dieser Treffen reiche an die Bedeutung der Begegnung zwischen Putin und Bush Junior heran, sind sich US-Kommentatoren einig.

Putins und Bushs freundschaftliche Gesten auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm Anfang dieses Monats haben zumindest gezeigt, dass sich beide im Streit über die US-Raketenabwehr in Mitteleuropa annähern wollen. Darüber hinaus liegen Russland und die NATO über Kreuz wegen der ausstehenden Ratifizierung des Vertrages über die Begrenzung Konventioneller Streitkräfte in Europa (KSE). Und mit dem Westen ist Russland uneins über die Zukunft der abtrünnigen südserbischen Provinz Kosovo, der Moskau bisher die Unabhängigkeit verwehrt.

Bei der geplanten US-Raketenabwehr gegen den Iran und Nordkorea stehen die Zeichen im Grunde weiter auf Konfrontation. Bushs anfängliche Offenheit für den Vorschlag Moskaus, eine russische Radarstation im aserbaidschanischen Gabala mit den USA gemeinsam zu nutzen, ist längst einer tiefen Skepsis gewichen. Die USA und die NATO sehen in der Anlage in Gabala an der Grenze zum Iran keinen Ersatz für die Pläne in Polen und Tschechien.

Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation zeichnet sich bisher nicht ab. Seit Anfang Juni stehen Putins Drohungen im Raum, im Fall einer Raketenabwehr in Mitteleuropa seinerseits möglicherweise selbst Ziele in Europa ins Visier zu nehmen. Dabei sekundierte ihm sein Vize-Regierungschef Sergej Iwanow, indem er in dieser Woche noch die Serienproduktion der kürzlich erfolgreich getesteten neuen Interkontinentalrakete vom Typ Topol-M ankündigte.

Die Zeit ist gekommen

Wie seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr präsentiert sich Moskau als Rüstungsmacht. Zwar sind die Produktionsstätten veraltet, wie auch Ex-Verteidigungsminister Iwanow einräumt. Die von Bush als Schurkenstaaten bezeichneten Staaten wie Iran und Syrien hindert das dennoch nicht an Waffenkäufen in Russland.

Der zweite dicke Brocken, den Bush unbedingt aus dem Weg räumen möchte, ist der Streit über die Zukunft der abtrünnigen südserbischen Provinz Kosovo. Bush steht hier im Wort und will nicht mehr mit sich auf Zeit spielen lassen. Während seines Albanien-Besuchs versprach der US-Präsident am 10. Juni: "Die Zeit ist jetzt gekommen, wir müssen uns bewegen, und das Endergebnis ist die Unabhängigkeit."

Quelle: ntv.de

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