Museum der russischen Wahrheit Kaukasus. Fünf Tage im August
10.10.2008, 08:39 UhrDie letzten russischen Soldaten waren noch nicht aus georgischem Kerngebiet abgezogen, da füllte in Moskau die Glorifizierung der eigenen Heldentaten schon Museumsvitrinen. Das zentrale Moskauer Militärmuseum, gleich neben dem gewaltigen Theater der russischen Armee in Form des fünfzackigen Sterns, präsentiert seit kurzem Trophäen des Südkaukasus-Krieges von Anfang August. Gezeigt werden Beutewaffen aus georgischen Armeebeständen und NATO-Ausrüstung.
Die ideologische Ausrichtung lässt keine Frage offen: Wie bei den Ausstellungen zum Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in Russland bis heute genannt wird, sind die Rollen für Gut und Böse eindeutig verteilt. "Die Ausstellung zum Krieg mit Georgien ist ein Muss. Dort wird die Wahrheit erzählt", wirbt die Kassiererin am Eingang des Museums.
Rechts Georgien, links Russland
Die wenigen Besucher, die sich wochentags für die neueste Militärschau interessieren, marschieren zur Sonderausstellung "Kaukasus. Fünf Tage im August". "Fangen Sie rechts an", empfiehlt die Kassiererin im Rentenalter, "da geht es um die Verbündeten Georgiens. Links werden die Heldentaten unserer Soldaten gezeigt. Ist damit alles klar?"
Klarer kann es nicht sein. In der kleinen Ausstellungshalle mit erbeuteten Waffen und Ausrüstung springt einen die Botschaft förmlich an. Als Trophäen des Feldzuges sind erbeutete bulgarische und israelische Maschinenpistolen ebenso zu sehen wie Granatwerfer aus britischer Produktion. Daneben hängen Fotos ukrainischer und tschechischer Panzer, mit denen georgische Soldaten gegen die russische Armee kämpften.
Die USA haben den Krieg entfesselt
Besondere Aufmerksamkeit finden die Objekte aus NATO-Beständen - Jacken, Decken, Feldgeschirr und Uniformen mit NATO-Zeichen. "Was Sie hier sehen, dokumentiert die Unterstützung Georgiens durch die USA", erzählt eine Museumsführerin einer Gruppe Moskauer Kadetten.
Die Frau ist umringt von den angehenden Offizieren. Alle lauschen der Museumsführerin andächtig. Viele Russen sind nach den Ereignissen von Anfang August davon überzeugt, dass in Wahrheit die USA den Krieg entfesselt haben.
"Unsere Jungs waren Spitze"
Als Hintergrund jedes Schaukastens dienen vergrößerte Artikel aus der Armeezeitung "Krasnaja Swesda" (Roter Stern) und anderen patriotischen Publikationen. Titelzeilen wie "Russland ist stolz auf seine Armee", "Die Tapferkeit russischer Soldaten" oder "Sie stiften Frieden" sind zu lesen.
Am Schaukasten mit dem triumphierenden Titel "Der Feind wurde aufgehalten"" kommt einer der Besucher, ein grauhaariger Weltkriegs-Veteran, in Wallung. "Unsere Jungs waren Spitze", murmelt der Rentner mit einem Leuchten in den Augen.
Propaganda-Ton aus Sowjetzeiten
Wie gut und tapfer "unsere Soldaten", also die russischen Truppen, gekämpft haben, soll der Fototeil der Ausstellung veranschaulichen. Neben den Bildern verwundeter russischer Soldaten, die beinahe stolz ihre Verletzungen in die Kamera zeigen, hängen Fotos erschossener georgischer Soldaten.
Die Kommentare gleichen dem Propaganda-Ton aus Sowjetzeiten. "Der Aggressor wurde bestraft und erlitt schwere Verluste", steht auf einem Plakat. Der eher pazifistische Beobachter stellt mit Verwunderung fest, dass dieses Zitat allerdings erst einige Wochen alt ist und vom neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew stammt.
Eine objektive, distanzierte Darstellung
Die Museumsleitung sieht in der Trophäenschau eine objektive, distanzierte Darstellung des jüngsten Krieges. "Die Aufarbeitung der Ereignisse enthält keine Propaganda. Wir sind politisch korrekt geblieben und kommentierten das Geschehene nicht", sagt der Ausstellungskurator Wladimir Semtschenko.
Doch die Polarisierung ist unverkennbar. Die Spezialisten der "Abteilung für Erziehungsarbeit" im russischen Verteidigungsministerium haben ganze Arbeit geleistet.
Quelle: ntv.de, Swetlana Illarionowa, dpa