Geburtstags-Party in England Kein Kinderspiel...
15.01.2007, 12:49 UhrAllein die Einladung war schon vom Feinsten. Ein Schokoriegel samt Einlasskarte in gold, eingeschlagen in handgeschöpftes Papier. Die letzten Meter bis zur Feier im herrschaftlichen Haus legten die Gäste dann in bonbonfarbenen Golfwagen zurück. Das Unterhaltungsprogramm bestand aus einigen filmreifen Nummern aus dem Kinderbuch-Klassiker "Charlie und die Schokoladenfabrik", alle halbe Stunde neu. Dazu sprudelten im Hintergrund Schokoladenbrunnen in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen.
Eine besonders dekadente Hollywood-Party? Nein, ein britischer Kindergeburtstag, wie er sich vor einigen Tagen in der englischen Grafschaft Gloucestershire zugetragen hat. Alles in allem 20.000 Pfund (rund 30.000Euro) ließen es sich die Eltern kosten, die 30 Gäste ihres siebenjährigen Sohnes aufs Feinste zu bewirten. In einem Land, das so stolz auf die gleichmacherische Wirkung seiner Schuluniformen ist, sind die "Birthday Partys" für die Kinder zum neuen Statussymbol geworden.
Die Zeiten, als der Nachwuchs mit Kuchen, Wackelpudding und einigen albernen Spielen zufrieden sein musste, sind vorbei. Heute gilt: Je größer die Feier, desto besser die Eltern, desto beliebter das Kind. "Die Geburtstagsparty ist zum Höhepunkt des Wettbewerbs unter den Eltern geworden", weiß die Party-Veranstalterin Caroline Hurley, die die Schoko-Fete ausgerichtet hat. "Es ist nicht selten, dass wir 60 Kinder versorgen müssen."
Natürlich sind solch pompöse Geburtstage wie das Schokoladenfest die Ausnahme - ebenso wie die Idee eines anderen reichen Elternpaares, der 13-Jährigen Tochter von einer gesamten Musical-Besetzung "Happy Birthday" singen zu lassen. Aber von den Geburtstagsfeiern für den Nachwuchs (im Durchschnitt 1,79 Kinder pro Familie) lebt in Großbritannien inzwischen eine ganze Industrie. Auch die Eltern von Prinz Williams Freundin Kate Middleton, die einen Postversand für Kinderparty-Accessoires betreiben, sind damit reich geworden.
Im Durchschnitt, so hat es ein Süßwarenhersteller ausrechnen lassen, kostet ein britischer Kindergeburtstag heutzutage 129 Pfund (196 Euro). Außer den Kosten für Essen und Trinken kommen vor allem Eintrittsgelder - viele Partys werden außer Haus gefeiert, zum Beispiel in "Play Center" oder Freizeitpark - sowie die Honorare der verschiedenen Alleinunterhalter von Clown über Jongleur bis Zauberer. Manche davon kommen an einem Wochenende auf bis zu einem Dutzend Auftritte vor Kindern.
Außerdem gehört in Großbritannien zu jeder "Children Party" dazu, dass nicht nur das Geburtstagskind beschenkt wird, sondern auch jeder Gast eine "Party Bag" mit nach Hause nehmen darf - eine Tüte mit eigentlich nur kleinen Gaben. Die Entscheidung, was hinein kommt, kann Eltern jedoch wochenlang beschäftigen. Jo Haywood, Mutter einer dreijährigen Tochter und eines sieben Jahre alten Sohnes, klagt: "Das ist der Moment, wo die anderen Eltern das Urteil über einen fällen. Anhand dieser Tüte wird der gesamte Lebensstil bewertet."
Die BBC hat die Geburtstags-Manie zum Anlass genommen, eine sechsteilige Serie über "Den Irrsinn der modernen Elternschaft" zu drehen. Auch vielen Müttern und Vätern wird der Aufwand allmählich zu viel. "Wir müssen anderen Leuten keinen Beweis bringen, was für tolle Eltern wir sind", sagt der dreifache Vater Peter Sharrock. Den fünften Geburtstag des jüngsten Sohnes hat die Familie aus London deshalb an der Küste verbracht.
Von Christoph Sator, dpa
Quelle: ntv.de