Nach Südossetien die Krim Kiew gegen Moskau
25.08.2008, 13:13 UhrFür ukrainische Militärexperten ist ein Krieg mit Russland kein abwegiges Szenario mehr: Nach dem russischen Einmarsch in Georgien könnte die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim schon das nächste "Opfer des Kremls" sein. Nicht nur Georgiens Präsident Michail Saakaschwili warnte nach dem Verlust seiner abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien seinen in die NATO strebenden ukrainischen Kollegen Viktor Juschtschenko vor dem "russischen Landhunger". Auch in Kiew wird die Möglichkeit eines russischen Angriffs zur Herstellung der alten Sowjetunion ernsthaft betrachtet.
Juschtschenko bat die NATO zum Tag der Unabhängigkeit am 24. August bei der ersten großen Militärparade seit 2001 um rasche Aufnahme für einen besseren Schutz vor Russland. Gleichzeitig kündigte er eine drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben an. Kiews Verteidigungsminister Juri Jechanurow sagte, zur Erneuerung der Streitkräfte seien im kommenden Jahr mindestens 32 Milliarden Griwna (4,6 Milliarden Euro) nötig. Auf der prorussischen Halbinsel Krim gibt es starke Forderungen nach einer Abspaltung von der Ukraine, sollte die ehemalige Sowjetrepublik der NATO beitreten.
Moskau bereit zur Gewalt
"Inzwischen ist die Mehrheit der postsowjetischen Staaten überzeugt, dass der Kreml zur Lösung von Problemen bereit ist, Gewalt anzuwenden", erklärte das ukrainische Politikmagazin "Korrespondent". Die Kommentatoren sehen eine echte Gefahr für die Ukraine, da der Streitfall Krim ähnlich gelagert sei wie die von Georgien abtrünnige Region Südossetien. Auch auf der Krim habe Moskau bereits viele Einwohner mit russischen Pässen ausgestattet - angeblich 170.000 Bürger, wie Medien berichteten. Hinzu kommen die Soldaten der russischen Schwarzmeerflotte.
Der Einsatz russischer Kriegsschiffe aus dem Krim-Hafen Sewastopol bei dem Konflikt in Georgien hat die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Kiew und Moskau weiter verschärft. Als Verbündeter Georgiens drohte die Ukraine zeitweilig damit, die russische Flotte nicht wieder in den Heimathafen zu lassen. Doch laut Vertrag dürfen die russischen Kriegsschiffe dort noch bis 2017 vor Anker gehen. Dann will Kiew den Sonderstatus beenden. Die Krim hatte bereits 1954 der Sowjetführer Nikita Chruschtschow der Ukraine zugeschrieben.
Ukraine gespalten in Georgien-Frage
Moskau warnte Kiew nicht nur einmal vor "antirussischen Tendenzen". In den heißen Kriegstagen warf Russland der Ukraine vor, Georgien seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit aufgerüstet und nun mit eigener Kampftechnik unterstützt zu haben. Russland ist rigoros gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens, weil es dadurch seine Sicherheit bedroht sieht. Durch die Ukraine geht ein tiefer Riss zwischen den prorussischen Regionen im Osten und Süden und den ukrainisch-nationalistischen Gebieten im Westen. Auch in der Georgien-Frage zeigt sich das Land gespalten.
Während sich Juschtschenko bei einem Besuch in Tiflis demonstrativ an die Seite seines Freundes Saakaschwili stellte, blieb Regierungschefin Julia Timoschenko auf Distanz zu Georgien. Beobachter sehen hierin nicht nur einen weiteren Beweis für den andauernden Machtkampf der Kräfte der Orangenen Revolution von 2004. Manche vermuten, dass Timoschenko für die Präsidentenwahl in eineinhalb Jahren doch auf den Segen Russlands hofft, um damit wichtige Wählerstimmen im Osten und Süden der Ukraine zu bekommen. Die Präsidialverwaltung warf ihr in den vergangenen Tagen "Hochverrat" vor.
Ulf Mauder, dpa
Quelle: ntv.de