Panorama

"Wir sind verloren" Kinder am stärksten gefährdet

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(Foto: AP)

"Das Leben war schon vorher schwierig", sagt Abdul, "aber jetzt sind wir verloren". Der 14-Jährige ist eines von hunderttausenden Kindern, die in Pakistan mit den Folgen der Flutkatastrophe kämpfen. Sie sind die Schwächsten, sie sind am stärksten gefährdet.

Iltaz Begum liegt zusammengekrümmt in einem Zelt. Dass sie unter schwerem Durchfall leidet, ist offensichtlich. Und doch sind die Gedanken der 15-Jährigen ganz woanders, als sie sagt: "Das sind die bittersten Tage meines Lebens". "Ich musste meine blinde Mutter allein zurückgelassen", erzählt sie, "aber außer mir kümmert sich doch niemand um sie, seit mein Vater vor zwei Jahren starb." Iltaz macht sich Sorgen um ihre Angehörigen, und dabei ist sie selbst in großer Gefahr - wie hunderttausende minderjährige Opfer der Flutkatastrophe in Pakistan auch.

Iltaz lebt in einem von der Regierung eingerichteten provisorischen Zeltlager am Rand der nordwestpakistanischen Stadt Nowshehra. Die Notunterkünfte stehen im Schlamm, es gibt keinen Strom - dafür Schwüle und Gestank von Fäkalien. Nur die Fliegen fühlen sich hier wohl. Unter der allgemeinen Not geht das Schicksal von Kindern wie Iltaz unter. Und dabei sind es die Schwächsten, die am meisten gefährdet sind.

20 Millionen Menschen sind nach Behördenangaben direkt oder indirekt von den verheerenden Überschwemmungen betroffen. Unter ihnen sind nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF sechs Millionen Kinder und Jugendliche. Bis zu 3,5 Millionen von ihnen sind durch Krankheiten akut bedroht.

"Aber jetzt sind wir verloren"

Kinder kümmern sich um Kinder - die Lage in Pakistan ist verzweifelt.

Kinder kümmern sich um Kinder - die Lage in Pakistan ist verzweifelt.

(Foto: AP)

Vor allem der Mangel an sauberem Wasser macht den Helfern zu schaffen. Sie befürchten schwere Durchfallerkrankungen, Typhus sowie den Ausbruch von Gelbsucht. "Kinder bereiten uns die größte Sorge", sagt UNICEF-Sprecher Sami Abdul Malik. "Wenn sie durstig sind, dann kennen sie nur ihren Durst - sie können das nicht kontrollieren, sie müssen dann Wasser trinken, egal, wie verschmutzt es ist - and dann bekommen sie Durchfall, Cholera, Malaria und andere Krankheiten". Die Kleinen mit sauberem Wasser und energiereicher Nahrung zu versorgen, ist deshalb zurzeit vordringliches Ziel der Helfer.

Um die psychischen Probleme der Kinder, ihre Traumata nach dem Verlust ihres Heims oder sogar ihrer Angehörigen, kann sich bislang niemand kümmern. Abdul Ghani ist einer dieser Waisen. Der 14-Jährige hat sich mit seinen sieben Geschwistern aus ihrem überfluteten Dorf Karampur in einer verlassenen Gegend im Süden des Landes in eine der Zeltstädte von Sukkur geflüchtet. Dass er selbst noch ein Kind ist, hat Abdul vergessen, Sorgenfalten durchfurchen sein Gesicht: "Meine Eltern starben beide im vergangenen Jahr. Mein Bruder und ich kümmerten uns um unsere Geschwister, dank unserer Arbeit kamen wir irgendwie zurecht", sagt er: "Das Leben war schon vorher schwierig - aber jetzt sind wir verloren".

"Sie scheuchen mich weg"

Shakeel Ahmed, 15, steht vor demselben Problem. Er und seine drei jüngeren Geschwister haben ihre Eltern in den Fluten verloren, jetzt weiß er nicht, wie es weitergehen soll: "Wir sind zu jung, niemand nimmt uns ernst", erzählt er und fängt fast an zu weinen. "Wenn ich versuche, sie auf unsere Lage aufmerksam zu machen, zucken sie einfach mit den Schultern und scheuchen mich weg."

Zurück in Nowshehra, dieses Mal in der Technikschule: Statt Studenten irren kleine Kinder weinend zwischen den auf dem Campus errichteten Zelten, es stinkt auch hier zum Himmel. Hier werden vor allem Kinder behandelt, die an Magen-Darm- oder Hautkrankheiten leiden oder völlig dehydriert sind.

Auf einem der Notbetten liegt Bushra Humayun. Die 25-Jährige hat vor wenigen Tagen in dem Lager Zwillinge zur Welt gebracht. Die Fluten haben ihr Haus in der Nähe von Nowshehra zerstört, hochschwanger und mit ihren sechs älteren Kindern musste sie kilometerweit durch das Hochwasser waten, um das Lager zu erreichen. Manchmal reichten ihnen die Fluten bis zum Hals. "Ich kann meine Babys nicht ernähren, sie werden zusehends schwächer", sagt sie verzweifelt.

Da bleibt kaum noch ein Ohr für die Sorgen ihres zwölfjährigen Sohns Haroon. Dieser klagt über Bauchschmerzen, sein Körper ist mit Mückenstichen übersäht. Irgendjemand im Lager, so hofft sie, wird sich Haroons schon annehmen.

Quelle: ntv.de, Sajjad Tarakzai, AFP

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