Dossier

Griff nach der Macht Koike will Premier werden

Eine Frau fordert Japans Männerwelt heraus. Mit der früheren TV-Nachrichtensprecherin Yuriko Koike kandidiert zum ersten Mal in der Geschichte der seit mehr als 50 Jahren fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) eine Frau für den Parteivorsitz - und damit zugleich für das Amt des Regierungschefs. Bei der am 22. September geplanten Wahl eines Nachfolgers für Yasuo Fukuda, der kürzlich seinen Rücktritt bekanntgab, gelten ihre Chancen zwar als gering. Dennoch sorgt ihr Griff nach der Macht für Aufmerksamkeit, so dass sich mancher schon an Sarah Palin, die republikanische Kandidatin für das US-Vizepräsidentenamt erinnert fühlte.

"Koikes Kandidatur macht die Wahl interessanter", erklärt der politische Analytiker Takao Toshikawa. Sie wolle die Sicht der Frauen in die Regierungspolitik einbringen, sagt die unverheiratete Politikerin, die bei der Wahl zum Parteivorsitzenden gegen vier Männer antritt, darunter den als Favorit geltenden früheren Außenminister Taro Aso. Die 56-jährige Koike, die laut Medien in ihrer Freizeit Boxgymnastik treibt, steht in Japan für ein neues Frauenbild. Es gäbe viele Frauen, die gerne arbeiten wollten. Doch sei es schwer in Japan, Beruf und Familie miteinander zu verbinden, wurde sie einmal zitiert.

Japan hinkt hinterher

Allein die Tatsache, dass eine Frau erstmals für das Amt des Ministerpräsidenten amtiert, sehen viele schon als bedeutend an in einem Land, das in Bezug auf den wirtschaftlichen und politischen Einfluss von Frauen laut einer UN-Studie weit hinter den meisten großen Industriestaaten hinterherhinkt. Koike war Mitglied in drei verschiedenen politischen Parteien, bevor sie im Jahr 2002 in die "Dauerregierungspartei" LDP überwechselte, wo die internen Machtgruppen traditionell von Männern beherrscht werden.

Ihren ersten Kabinettsposten erhielt Koike unter dem früheren Reform-Premierminister Junichiro Koizumi, dem sie von 2003 bis 2006 als Umweltministerin diente. Sie setzte damals das "Cool Biz"- Klimaschutzprogramm durch, bei dem Männer im Sommer auf Sakko und Krawatte verzichten sollen, damit die Klimaanlagen in den Büros nicht ganz so stark kühlen müssen.

Verändern und festhalten

Bei den Unterhauswahlen 2005 gehörte sie zu Koizumis prominenten "Attentätern", die dieser gegen interne Gegner seiner Postreform ins Feld führte. Koike trat dabei in einem Wahlkreis in Tokio erfolgreich gegen einen der LDP-Abweichler an. Die japanische Zeitschrift "Shukan Asahi" beschreibt Koike als einen "Zugvogel", den es beständig in die Nähe der Macht ziehe. Unter Koizumis Nachfolger Shinzo Abe war die Nahost-Expertin, die die Universität von Kairo absolvierte und als Arabisch-Dolmetscherin tätig war, nationale Sicherheitsberaterin. Danach wurde sie Japans erste Frau im Amt des Verteidigungsministers.

Bei der anstehenden Wahl setzt sich Koike für eine Fortsetzung der Strukturreformen ein, die ihr früherer Chef Koizumi eingeleitet hatte. Ihm steht sie weiterhin nahe. "Wir müssen dramatische Veränderungen vornehmen in den Bereichen, die wir ändern müssen und an dem festhalten, was wir schätzen müssen, wie die Familienbande", sagte sie bei der offiziellen Bekanntgabe ihrer Kandidatur.

Gegenüber dem als Favorit geltenden Konservativen Aso werden ihr zwar nur geringe Chancen eingeräumt. Dennoch zeigt sich Koike, deren Yorkshire-Terrier auf den Namen "Sori" (Ministerpräsident) hört, zuversichtlich. Der japanischen Zeitschrift "Aera" sagte sie: "Die Tatsache, dass Kollegen meine Kandidatur bei der Wahl zum Parteichef unterstützten, zeigt, dass die LDP bereit ist, sich zu ändern".

Quelle: ntv.de, Lars Nicolaysen, dpa

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