Dossier

Wienern für den neuen Chef Kreml erwartet Medwedew

Dieses Mal muss der Kreml beim alljährlichen Frühjahrsputz ganz besonders auf Hochglanz poliert werden. Am 7. Mai übernimmt in den Prunksälen des großen Kremlpalastes Dmitri Medwedew bei einer pompösen Zeremonie das Amt des Staatspräsidenten. Seit Tagen rücken Putzkolonnen dem Winterschmutz an den haushohen Fenstern zu Leibe. Sie wienern die ausladenden Kronleuchter, polieren die vergoldeten Türgriffe und bohnern die endlosen Parkettböden. Große Tradition bei der politischen Amtseinführung der russischen Staatsoberhäupter hat der Kreml - ungeachtet der vielen russischen Zaren, einer Hand voll Staats- und Parteichefs und bislang zwei amtierender Präsidenten - aber bislang nicht.

Die Zaren zogen es seit Peter dem Großen vor, im Winterpalais in der neuen Hauptstadt St. Petersburg am Finnischen Meerbusen die Insignien der Macht in Empfang zu nehmen. Zwar machten die Bolschewiken nach der Oktoberrevolution das altehrwürdige Moskau wieder zur Hauptstadt des Reiches, doch auch die Sowjetführung hatte es nicht so mit dem monarchistisch-prunkvollen Kremlpalast. Selbst Russlands erster gewählter Präsident Boris Jelzin mied zu seiner Amtseinführung die historischen Gebäude im Kreml und zog stattdessen den betonlastigen Staatspalast nebenan vor. Der war Ende der 1950er Jahre für die Parteitage der KPdSU innerhalb der Kremlmauern errichtetet worden.

Amtseid mit Nuschelstimme

Unvergessen ist in Russland bis heute, wie der gesundheitlich angeschlagene Jelzin zu Beginn seiner zweiten Amtszeit 1996 stocksteif mit altersstarrem Blick und Nuschelstimme den Amtseid sprach. Vom Elan der wilden Discotänze, die Jelzin noch im Wahlkampf gezeigt hatte, spürten die 6000 geladenen Gäste an jenem Tag im August nichts mehr. Erst bei Jelzins Nachfolger Wladimir Putin entschied sich das Kremlprotokoll für eine Rückkehr in die altehrwürdigen Prunksäle des Kremls. In einer Mercedes-Benz-Limousine ließ sich Putin auf den Tag genau vor acht Jahren, am 7. Mai 2000, zum historischen Teil des Kremls fahren. Auch die zweite Amtszeit trat Putin vier Jahre später am 7. Mai an.

Russland erlebt bei der nächsten Amtseinführung ein Novum: Erstmals werden der scheidende und der neue Präsident an der Inauguration teilnehmen. Als Putin vor acht Jahren antrat, war Jelzin schon nur noch Ex-Präsident, da er bereits am Silvestertag 1999 seine Vollmachten an den damaligen Regierungschef Putin übertragen hatte.

Fußballspiele extra vorverlegt

Nachdem Medwedew den Amtseid gesprochen haben wird, dürfte es nach Einschätzung der Moskauer Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" zu einer zukunftsweisenden Szene auf dem Kathedralenplatz vor dem Kremlpalast kommen. Medwedew und Putin sollen gemeinsam die Parade der Kremlgarde abnehmen. Dieses Privileg war bislang allein dem Staatsoberhaupt vorbehalten. Damit soll nach Einschätzung von Beobachtern demonstriert werden, dass Putin auch in Zukunft an den Schalthebeln der Macht steht. Zum Abschluss der Inauguration bekommt der neue Präsident den Segen vom Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Alexi II. Das geschieht in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Kreml, der Hauskirche der Zaren.

Am 7. Mai wird der neue Präsident in Russland ungeteilte Aufmerksamkeit genießen. Die erste Fußballliga in Russland muss eigens ihre beiden für den Tag angesetzten Spiele vorverlegen. Wenngleich das Staatsfernsehen die Feiern landesweit übertragen wird, dürften Millionen Russen das Ereignis aber gar nicht mitbekommen. Die Spanne zwischen dem 1. Mai und dem Tag des Sieges am 9. Mai nutzen viele, um ein paar Brückentage auf der Datscha zu verbringen oder gleich für eine Woche in den Süden zu fliegen.

Von Stefan Voß, dpa

Quelle: ntv.de

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