Dossier

Wahlen in Belgien Krise könnte sich verschärfen

Nach der Auflösung des Parlaments um Leterme wählt Belgien eine neue Regierung. Aber die Krise könnte sich weiter zuspitzen, denn Flamen und Frankophone liegen im Dauerclinch.

Bart De Wever von der Neuen Flämischen Allianz setzt sich für ein autonomes Flandern ein.

Bart De Wever von der Neuen Flämischen Allianz setzt sich für ein autonomes Flandern ein.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Belgien steckt seit Monaten in einer politischen Krise und die Parlamentswahlen am 13. Juni könnten alles noch schlimmer machen. Der Streit zwischen Flamen und Frankophonen um institutionelle Reformen, der Ende April die Regierung von Yves Leterme sprengte, könnte sich bei einem Wahlsieg der Neuen Flämischen Allianz (NVA) in Flandern noch verschärfen. Die Regierungsbildung dürfte Belgien über den 1. Juli hinweg beschäftigen, wenn es turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz übernimmt.

Die Umfragen sehen die NVA im größten Landesteil Flandern mit gut einem Viertel der Stimmen vorn. Sie strebt eine weitgehende Autonomie für Flandern an. Unter den französischsprachigen Parteien gelten die Sozialisten (PS) als Favoriten, die den Autonomiebestrebungen skeptisch gegenüberstehen - wie die meisten Frankophonen.

Punkte beivon der jeweiligen Sprachgruppe

Der sich volksnah gebende NVA-Spitzenkandidat Bart De Wever wäre nach eigener Aussage gewillt, im Gegenzug für mehr Autonomie auf das Amt des belgischen Regierungschefs zu verzichten. "Die flämischen Politiker, die diesen Posten akzeptiert haben, haben dabei ihr Programm geopfert. Ich bin nicht bereit, dies zu tun", sagte De Wever. So wäre mit PS-Chef Elio Di Rupo erstmals nach Jahrzehnten wieder ein frankophoner Ministerpräsident denkbar.

Rund 7,7 Millionen Belgier sind verpflichtet, für die 150 Sitze in der Abgeordnetenkammer ihre Stimme abzugeben. Dabei spiegelt das Wahlsystem die Teilung des Landes wider: Von jeder großen politischen "Familie" wie Sozialisten und Liberalen existiert eine flämische und eine frankophone Partei. Sie punkten jeweils nur in ihrer Sprachgruppe.

Flämischer Löwe statt belgischer Trikolore

Im Vordergrund des Wahlkampfs standen die flämischen Forderungen nach mehr Eigenständigkeit. Die NVA nimmt dabei als Fernziel sogar ein komplett selbstständiges Flandern in den Blick. Deshalb dominiert bei De Wevers Auftritten der flämische Löwe und nicht die belgische Trikolore. Die allermeisten Frankophonen hingegen halten dem von König Albert II. verkörperten Bundesstaat die Treue. Zwar würden die Frankophonen auch ohne Flamen überleben, versicherte PS-Chef Di Rupo. Doch werde er "alles tun", dass es dazu nicht komme.

Bei den französischsprachigen Belgiern gelten die Sozialisten mit ihrem Chef Elio Di Rupo als Favoriten.

Bei den französischsprachigen Belgiern gelten die Sozialisten mit ihrem Chef Elio Di Rupo als Favoriten.

(Foto: REUTERS)

Auch beim Streit um die Rechte von Frankophonen in Flandern, der die Regierung Leterme scheitern ließ, ist kein Kompromiss in Sicht. Bei der Dauerfehde geht es auch um handfeste Wirtschaftsinteressen. So pochen viele Flamen darauf, das Sozialsystem, in das sie überproportional einzahlen, auf die Gliedstaaten zu verlagern.

Die wirtschaftlich erfolgreicheren Flamen haben den Eindruck, ihre Landsleute mit durchfüttern zu müssen - und das in Zeiten, in denen sie selbst Strukturprobleme bekommen, wofür der Rückzug von Opel aus Antwerpen beispielhaft ist. Gerade beim Sozialsystem dringt die PS aber auf gesamtbelgische Solidarität.

Reicht eine Einigung in den Streitfragen aus?

Selbst wenn sich NVA und PS in den Streitfragen einigen sollten, würde das kaum reichen. Hinter der NVA liegen in Flandern drei Parteien fast gleichauf um die 15 Prozent: Sozialisten, Christdemokraten und der rechtsextreme Vlaams Belang. Mit letzterem will allerdings niemand koalieren. Bei den Frankophonen landete in den Umfragen die liberale MR auf dem zweiten Platz, dahinter die Grünen. Diese Parteien brachten weitere Streitthemen in den Wahlkampf ein, etwa die Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke.

Zugleich mit der Abgeordnetenkammer wird der Senat gewählt, die zweite Parlamentskammer, die vor allem als Ort der "Reflexion" gilt. Belgiens deutschsprachige Minderheit spielt für beide Kammern keine große Rolle. Während den rund 75.000 Deutschsprachigen im Senat automatisch ein Sitz zusteht, gehören sie bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer zum Gebiet der Frankophonen.

Quelle: ntv.de

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