Dossier

FDP-Nachwuchs mit Loyalitätszwängen Liberale suchen Ersatz-Steuermann

Guido Westerwelle bot seinen Rücktritt an, falls es einen Ersatz für ihn geben sollte.

Guido Westerwelle bot seinen Rücktritt an, falls es einen Ersatz für ihn geben sollte.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Berlin verdichteten sich die Anzeichen, dass FDP-Führungsvertreter hinter den Kulissen intensiv an einer Neuordnung der Parteispitze arbeiten. Die Frage ist offensichtlich nicht mehr ob, sondern wie und wann die FDP ihren Vorsitzenden auswechselt.  Der Parteienforscher Gerd Langguth glaubt nicht an einen Putsch, sieht aber die jungen Hoffnungsträger in einer schwierigen Lage.

n-tv.de: Während Parteichef Guido Westerwelle in China weilt, sägt Fraktionschefin Birgit Homburger an seinem Stuhl. Absägen ist leicht, wer könnte der Nachrücker werden?  

Westerwelle im Nationalmuseum in Peking. Das Gemälde im Hintergrund zeit Mao bei einer Rede.

Westerwelle im Nationalmuseum in Peking. Das Gemälde im Hintergrund zeit Mao bei einer Rede.

(Foto: dpa)

Gerd Langguth: Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob es sich tatsächlich um eine Art Putsch gegen den Parteichef handelt. Ihr Interview in der "Rheinischen Post" gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass sie das Heft in die Hand nehmen will. Es ist aber eine Frage der Fairness, ob man wichtige personelle Veränderungen im Vorstand einer Partei anregt, wenn deren Vorsitzender Tausende Kilometer weit weg ist. Zudem steht Birgit Homburger selbst unter Druck wegen des schlechten Wahlergebnisses in Baden-Württemberg. Ich habe schon viel in der Politik erlebt und kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Frau Homburger tatsächlich am Stuhl ihres Vorsitzenden sägt.

Es heißt, es könnte jetzt ganz schnell gehen und bereits am kommenden Montag könnte die Parteiführung über das politische Schicksal Westerwelles entscheiden.

Das ist auch richtig, denn Entscheidungen solcher Größenordnung dürfen nicht lange aufgeschoben werden. Man kann die offene Feldschlacht nicht erst auf dem Bundesparteitag im Mai führen. Aber ich vermisse in diesem Zusammenhang die Meinung von Hans-Dietrich Genscher, die hatte in Zeiten der Krise immer ein starkes Gewicht. Zudem wäre Genscher der richtige Mann, da es gegenwärtig kein echtes Machtzentrum in der FDP gibt.

Was ist mit Christian Lindner, er könnte doch Westerwelles Erbe antreten?

Bahr, Rösler und Lindner gelten als Zöglinge Westerwelles.

Bahr, Rösler und Lindner gelten als Zöglinge Westerwelles.

(Foto: picture alliance / dpa)

Lindner ist in einer schwierigen Lage. Er ist zwar auch der Stellvertreter Westerwelles, aber einem putschenden Generalsekretär wird man immer fehlende Loyalität vorwerfen können. Auch die anderen jungen Leute, wie Rösler und Bahr, sind einst von Westerwelle aufgebaut worden. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass sich diese drei jungen Leute jetzt zurückhalten, sonst könnte ihnen später Putschismus vorgeworfen werden. Schließlich stehen sie ja noch am Anfang ihrer politischen Karriere.

Und die starken Frauen in der Partei – ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nur die Konzession an die Bayern oder doch zu Höherem berufen?

Frau Leutheusser wird eigentlich dem sozialliberalen Flügel der Partei zugerechnet und könnte durchaus als eine der Möglichkeit angesehen werden. Nur gilt sie bei den meisten Vertretern ihrer Partei und auch von deren Anhängern als eine Enttäuschung.

So wie Cornelia Pieper?

Ja, das muss man wohl so sagen.

Wolfgang Gerhardt hat noch eine Rechnung offen mit Guido Westerwelle, denn der frühere Parteichef hat sein Amt vor zehn Jahren nicht ganz freiwillig geräumt. Kommt jetzt womöglich seine Stunde?

Gerhardt ist zweifellos eine sehr seriöse Persönlichkeit. Ich glaube aber, dass er mit seinen 67 Jahren zu wenig Einfluss in einer sich erneuernden FDP hätte. Man sollte Gerhardts Einfluss zwar nicht unterschätzen – erst heute wurde er als Vorsitzender der Naumann-Stiftung im Amt bestätigt – aber ich denke, dass sich ehemalige Vorsitzende und Fraktionsvorsitzende schwer tun mit einer Rebellion. Wir müssen abwarten.

Prof. Dr. Gerd Langguth unterrichtet Politische Wissenschaft an der Uni Bonn und ist zugleich Publizist.

Prof. Dr. Gerd Langguth unterrichtet Politische Wissenschaft an der Uni Bonn und ist zugleich Publizist.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Neue Mitte ist grün geworden. Ist das nur eine Momentaufnahme?

Ich denke schon, denn die Grünen sind für die Mitte nicht bürgerlich genug und die Atomfrage ist nicht die einzige Frage, die die Menschen bewegt. Die Menschen wollen wissen, wie kann man Energiepolitik so gestalten, dass die Energie – Benzin, Gas und Strom – auch künftig noch bezahlbar ist. Da gibt es noch eine Fülle von Fragen. Die bürgerlichen Parteien haben jetzt die Chance, die Energiewende perfekt hinzulegen, nachdem sie ihre Wähler schockiert haben. Da steckt noch viel Arbeit drin – auch Überzeugungsarbeit. Dies könnte aus meiner Sicht erfolgreich werden.

Im Ausstieg bewiesen bislang aber – wenn ich mal Stoiber zitieren darf – Rot und Grün die Kompetenz-Kompetenz.

Das wird sich zeigen. Wir werden einen Wettbewerb erleben nach der Art "Wer schafft es schneller". Das wird noch viele Überraschungen bringen.

Quelle: ntv.de, Mit Gerd Langguth sprach Peter Poprawa

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