Dossier

Plötzlich Anwalt von Millionen Lothar de Maizière wird 70

Er war der erste frei gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR. Lothar de Maizière ist ein Mann der nachdenklichen Töne. Und immer noch einer, der sagt, was er denkt.

Den Beruf des Musikers musste de Maizière aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.

Den Beruf des Musikers musste de Maizière aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.

(Foto: dpa)

Lothar de Maizière ist sich treu geblieben und sagt unverblümt seine Meinung. "In der Politik wird zu kurz gedacht, es gibt keine Visionen." Oder: "Die Deutschen laufen lieber im Büßergewand umher, als stolz auf Erreichtes zu sein", meint de Maizière, der am 2. März 70 Jahre wird. Es sei wunderbar, seine Meinung sagen zu können, findet der Anwalt und Musiker. Jetzt plant er ein Buch über die aufregende Zeit nach der Maueröffnung, über die Zeit, in der er die Ostdeutschen zur deutschen Einheit führte. Er verrät nur soviel: "Ich diktiere derzeit."

Aus der ersten freien Volkskammerwahl vom 18. März 1990 ging die Ost-CDU überraschend als stärkste Kraft hervor, wenig später wurde de Maizière, seit 1956 Mitglied der ostdeutschen Christdemokraten, zum DDR-Ministerpräsidenten gewählt. "Plötzlich hatte ich 16 Millionen Mandanten. Das schwierigste war der Verantwortungsdruck", erinnert sich Lothar de Maizière, der als Anwalt zu DDR-Zeiten wie der heutige Linken-Politiker Gregor Gysi politisch Verfolgte verteidigte.

Keine Anhaltspunkte für eine Spitzeltätigkeit

De Maizière hatte Musik im Fach Viola studiert und spielte Bratsche in Orchestern, bis er den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Nach einem Jura-Fernstudium wurde er Anwalt. Aber in seiner Freizeit musiziert er noch heute.

Er habe sich damals in die Pflicht nehmen lassen, sagt de Maizière zu seinem Sprung in die Politik. Stets warb der Mann der nachdenklichen Töne für Realismus: Nach der Euphorie über den Fall der Mauer, D-Mark, Einheit und Reisefreiheit kommen die Mühen der Ebene. Die gebe es nach wie vor, sagt der Mahner, der am 2. März 1940 in Nordhausen im Harz geboren wurde.

Der Aufstieg de Maizières ging nach der Einheit zunächst weiter. Beim ersten gesamtdeutschen CDU-Parteitag wurde er zum einzigen Stellvertreter von Parteichef Helmut Kohl gewählt, neben dem er immer ein bisschen wie David neben Goliath wirkte. Kohl berief ihn als Bundesminister für besondere Aufgaben in sein Kabinett. Doch dann wurden Stasi-Vorwürfe laut: Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit hatte ihn als "IM Czerni" geführt. De Maizière bestritt, dass dies mit seinem Wissen geschehen war, und bat um seine Entlassung als Minister. Später stellte die CDU fest, dass es keine Anhaltspunkte für eine Spitzeltätigkeit gebe.

Rückzug 1991

Nach Querelen um die Rolle der Ost-CDU bei den Christdemokraten gab de Maizière auch seine Parteiämter auf. Er wolle nicht hinnehmen, dass die Ost-Verbände nach westlichen Vorstellungen umgekrempelt werden. Im Herbst 1991 zog er sich ganz aus der Politik zurück.

Ob er der CDU damals den Rücken kehren wollte? "Ach, wenn ich am Sonntag eine schlechte Predigt höre, trete ich doch nicht gleich aus der Kirche aus", sagt de Maizière diplomatisch. Politik sei selten ein Ort, an dem Freundschaften geschlossen werden. Ausnahmen seien Wolfgang Schäuble und der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow.

Die Arbeit geht weiter

Der Anwalt, der auch weiter jeden Tag in seine Kanzlei in Mitte kommen will, verschwendet keinen Gedanken ans Aufhören. Das gilt auch für seine Ehrenämter als Vorsitzender der Stiftung Denkmalschutz und sein Engagement beim Petersburger Dialog, wo er sich für eine Vertiefung der deutsch-russischen Beziehungen einsetzt. De Maizières Familie mit Frau, fünf Töchtern und elf Enkelkindern achte aber streng darauf, dass er wenigstens regelmäßig spazieren gehe. Dafür sei extra Hündin Lisa angeschafft worden. Fast entschuldigend bekennt der Anwalt: Er esse gern fette Buletten und trinke abends ein Bier.

Zum Geburtstagsempfang wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. Sie war 1990 stellvertretende Pressesprecherin des DDR-Ministerpräsidenten de Maizière. Die CDU sei dank Merkel vom Kanzlerwahlverein zu einer Volkspartei der Mitte geworden, sagt der einstige Förderer der Ostfrau. Logik sei eine ihrer Stärken. "Wenn wir uns sehen, verstehen wir uns."

Quelle: ntv.de, dpa

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